Andacht-Lied

U i Göttliche Beystand in seinem Stand

[74] Nach der Singweise: Sag, was ist alle Welt, usw.


1.

Sag, was ist diese Welt?

Ein Schau- und Spielgezelt.

Darinn tritt ab und auf

Der Menschen Lebenslauff.


2.

Warzu dich Gott erschuff,

Dein Amt und dein Beruff,

Das ist dein' Action,

Macht dich zur Spielperson.


3.

Spiel wohl, befleisse dich,

Daß Lob mög finden sich

Und zu des Spieles End

Dir Gott den Lohn zusend.


4.

Hab Dank, du Herr der Welt,

Daß du mich auch gestellt

Auf deine Schauspiel-Bühn,

Daß ich ein Mensche bin.


5.

Gern will ich spielen wohl,

Dir leben, wie ich sol,

In dem Beruff und Stand,

Den du mir zuerkandt.


6.

Nur wollest, bitt' ich dich,

Wollst unterweisen mich

Durch deines Geistes Raht

Und seine reiche Gnad!


7.

Dein' Allmacht sey bey mir!

Nur, grosser Gott, mit dir

Wird Alles wohl getahn:

Ohn dich ich nichtes kan.


8.

Zieht deine Gütigkeit

Mir an ein Ehren-Kleid,

Laß mich nit stolze seyn

Mit etwas, das nit mein.


9.

Ich möcht' erzürnen dich

Und Du entkleiden mich

Und werffen arm und bloß

Aus deiner Gnadenschoß.


10.

Muß ich in Lumpen gehn

Und andre prangen sehn:

Was frag ich nach der Zier,

Wann ich nur wol agir?


11.

Bin ich der Welt zuschlecht,

Kan ihr nichts machen recht:

Gefällt mein Tuhn nur dir,

So frag ich nichts nach ihr.


12.

Nach diesem Trauerspiel

Führ mich zum Freuden-Ziel,

Aus diesem Jammerthal

In deinem Himmel-Saal.

Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 74.
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