|
[97] Sigism. à Birken.
1.
Gläub es nicht, es sind Gedancken,
Laß dich ja nicht fechten an,
Seele! daß in Liebe kan
Dein getreuer JESUS wancken.
Gläub es nicht, es ist ein Wahn:
Sein Gemüt
Brennt und glüt
Gegen dir
Für und für
Sonder Ziel und Schrancken.
2.
Will Er etwan Sich verstellen,
Scheint Er dir was fremd zu seyn,
Es ist nur ein Augenschein;
Du hast Jesum zum Gesellen,
Der will ewig bleiben dein.
Es muß nicht
Dein Gesicht
Nach dem Glück
Augenblick
Von Ihm Urtheil fällen.
3.
Es ist noch um keinen Funcken
Kälter worden Jesu Flamm,
Die in Seinem Blute schwam,
Die aus Seiner Seit gesuncken
Dorten an dem Creutzes-Stamm.
Wie dann sollt
Minder hold
Er dir seyn?
Nein! ach nein!
Laß dichs nicht beduncken.
4.
Treue Ursach heisst Ihn lieben.
Jesu Güte währet dir
Wie Er selber für und für.
Jesus auch, von Lieb getrieben,
Ewig sehnet Sich nach dir.
Es ist Sein
Deine Pein;
Nicht mehr Er
Jesus wär,
Wann Er Haß könnt üben.
[97]
5.
Deine Noht auf Erden kennen
Und sie dir nicht nehmen ab:
Ach! dein Jesus dis Sein Grab,
Seinen Tod selbst würde nennen,
Dem Er Sich für dich hingab.
Schwartzen Schnee
Eh die Höh
Streuen wird,
Eh dein Hirt
Sich von dir sollt trennen.
6.
Auch, die Er vor dich empfangen,
So viel Wunden lassen Ihn
Dich nicht lassen aus dem Sinn.
Ach! dein Heil ist Sein Verlangen
Jetzt noch wie von Anbeginn.
Seiner Lieb
Glauben gib;
Bild Ihn dir
Gnädig für,
Nimm den Wahn gefangen.
Buchempfehlung
Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.
62 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro