1.


Wilhelm

[340] Getakelt lag das Schiff am Port,

Die Wimpel floßen roth im Winde.

Schwarzäugig Suschen kam an Bord:

»O sagt mir, wo ich Wilhelm finde!

Ihr weidlichen Matrosen, sagt mir wahr:

Geht Wilhelm mit in Eurer frohen Schaar?«


Wilhelm, der hoch am Maste sang,

Gewiegt von Wellen hin und wieder,

Sobald die traute Stimm ihm klang,

Sah stumm durch Seil und Stangen nieder.

Das lange Tau durchglitt ihm heiß die Hand

Und rasch erreicht er das Verdeck und stand.


So wann die Lerch im Saatfeld ruft,

Verstummt ihr Gatte schnell, der munter

Sein Frühlied singt in blauer Luft

Und schießt geschloßner Schwing hinunter.

Die holden Küss', o Wilhelm! ohne Zahl

Misgönnte Dir Kapitän und Admiral.


»O Suschen, Suschen! muß ich gehn,

Auch ferne bleibst Du mein Verlangen.

Wir trennen uns zum wiedersehn;

O trockne Dir die heißen Wangen!

Verstürm uns auch der Wind nach Ost und West,

Dir steht mein Herz ein treuer Kompass fest.


O süßes Mädchen, traue nicht

Des falschen Landvolks schnödem Worte,[340]

Der Seemann find' ein glatt Gesicht

Für seine Lieb an jedem Orte!

Ein glatt Gesicht ist hier und allerwärts,

Doch Suschen, wo Dein gutes liebes Herz?


Ob uns Orkan und Wogen drohn,

Ob Klipp und Sandbank um uns brande,

Den Elementen biet ich Hohn

Und kehre heim vom fernsten Strande.

Und donnert auch mit Kugelsaat die Schlacht,

Mich rettet Dir der holden Liebe Macht!«


Der Schiffer ruft sein schrecklich Wort,

Der Anker steigt , die Segel schwellen.

»Ach, schluchzt er küssend, Suschen, fort!«

Und starrt ihr nach durch dunkle Wellen.

Schon kleiner wankt ihr Nachen nah am Strand

Und weiß noch weht das Tuch in Suschens Hand.

Quelle:
Heinrich Christian Boie. Beitrag zur Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert von Karl Weinhold, Halle 1868, S. 340-341.
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