|
[16] Wer synen kynden übersicht
Irn můtwil / vnd sie stroffet nicht
Dem selb zů letzst vil leydes geschicht
Der ist in narheyt gantz erblindt
Der nit mag acht han / das syn kyndt
Mit züchten werden vnderwißt
Vnd er sich sunders dar vff flyßt
Das er sie loß jrr gon on straff
Glich wie on hirten gönt die schaf
Vnd jn all můtwil vbersicht /
Vnd meynt sie dörffen stroffens nicht /[17]
Sie sygen noch nit by den joren
Das sie behaltten jn den oren
Was man jn sag / sy stroff vnd ler /
O grosser dor / merck zü vnd hör
Die jugent ist zů bhaltten gering
Sie mercket wol vff alle ding /
Was man jn nüwe häfen schitt
Den selben gsmack verlont sie nit /
Ein junger zwyg sich biegen lot /
Wann man ein altten vnderstat
Zü biegen / so knellt er entzwey
Zymlich stroff / brīgt kein sörglich gschrey
Die rüt der zücht vertribt on smertz
Die narrheit vß des kindes hertz
On straffung seltten yemens lert
Alls übel wechßt das man nit wert
Hely was recht vnd lebt on sünd
Aber das er nit strofft sin kynd
Des strofft jn got / das er mit klag
Starb / vnd syn sün vff eynen tag /
Das man die kind nit ziehen wil
Des findt man cathelynen vil
Es stünd yetz vmb die kynd vil bas
Geb man schůlmeister jnn / als was
Phenix / den peleus synem sůn
Achilli sůcht / vnd zů wolt důn
Philippus durch sůcht kriechē landt
Biß er sym sůn ein meister fandt
Dem grösten kunnig jn der welt
Wart Aristoteles zů geselt
Der selb Platonē hort lang jar
Vnd Plato Socratem dar vor
Aber die vätter vnser zitt
Dar vmb das sie verblent der gyt
Nemen sie vff sölich meister nůn
Der jn zům narren macht ein sůn
Vnd schickt jn wider heym zů huß
Halb narrechter dann er kam druß[18]
Des ist zů wundern nit dar an
Das narrē narrecht kynder han
Crates der allt sprach / wān es jm
Zů stůnd / wolt er mit heller stym
Schryē / jer narrē vnbedacht
Ir hant vff gůtsamlē groß acht
Vnd achtē nit vff vwer kind
Den jr sölich richtum samlen sindt
Aber vch wirt zů letst der lon
Wann uwer sün jn rott sönt gon
Vnd stellen zücht vnd eren nach
So ist jn zů dem wesen gach
Wie sie von jugent hant gelert
Dann wirt des vatters leydt gemert
Vnd frist sich selbst das er on nutz
Erzogen hat ein wintterbutz
Ettlich důnt sich in bůben rott
Die lästern vnd gesmächen gott
Die andren hencken an sich säck
Dise verspielen roß vnd röck
Die vierden prassen tag vnd nacht
Das würt vß solchen kynden gmacht
Die man nit jn der iugent zücht
Vnd [mit] eim meister wol versycht
Dann anfang / mittel / end / der ere
Entspringt allein vß gůter lere
Ein löblich ding ist edel syn
Es ist aber frömbd / vnd nit din
Es kumbt von dynen eltern har /
Ein köstlich ding ist richtum gar
Aber des ist des gelückes fall
Das vff vnd ab dantzt wie ein ball /
Ein hubsch ding der weltt glory ist /
Vnstantbar doch / dem alzyt gbrist /
Schonheit des libes man vyl acht
Wert ettwan doch kum vbernacht /
Glich wie gesuntheit ist vast liep
Vnd stielt sich ab doch wie ein diep[19]
Groß sterck / acht man für köstlich hab
Nymbt doch von kranckheit / altter ab /
Dar vmb ist nützt vndöttlich mer
Vnd bliblich by vns dann die ler
Gorgias frogt / ob sellig wer
Von Persia der mähtig her
Sprach Socrates / ich weiß noch nüt
Ob er hab ler vnd tugent üt /
Als ob er sprech / das gwalt vnd golt
On ler der tugent nützet solt
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff
|
Buchempfehlung
In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.
74 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro