[6.]

[16] Wer synen kynden übersicht

Irn můtwil / vnd sie stroffet nicht

Dem selb zů letzst vil leydes geschicht


6. Von ler der kind

Von ler der kind.

Der ist in narheyt gantz erblindt

Der nit mag acht han / das syn kyndt

Mit züchten werden vnderwißt

Vnd er sich sunders dar vff flyßt

Das er sie loß jrr gon on straff

Glich wie on hirten gönt die schaf

Vnd jn all můtwil vbersicht /

Vnd meynt sie dörffen stroffens nicht /[17]

Sie sygen noch nit by den joren

Das sie behaltten jn den oren

Was man jn sag / sy stroff vnd ler /

O grosser dor / merck zü vnd hör

Die jugent ist zů bhaltten gering

Sie mercket wol vff alle ding /

Was man jn nüwe häfen schitt

Den selben gsmack verlont sie nit /

Ein junger zwyg sich biegen lot /

Wann man ein altten vnderstat

Zü biegen / so knellt er entzwey

Zymlich stroff / brīgt kein sörglich gschrey

Die rüt der zücht vertribt on smertz

Die narrheit vß des kindes hertz

On straffung seltten yemens lert

Alls übel wechßt das man nit wert

Hely was recht vnd lebt on sünd

Aber das er nit strofft sin kynd

Des strofft jn got / das er mit klag

Starb / vnd syn sün vff eynen tag /

Das man die kind nit ziehen wil

Des findt man cathelynen vil

Es stünd yetz vmb die kynd vil bas

Geb man schůlmeister jnn / als was

Phenix / den peleus synem sůn

Achilli sůcht / vnd zů wolt důn

Philippus durch sůcht kriechē landt

Biß er sym sůn ein meister fandt

Dem grösten kunnig jn der welt

Wart Aristoteles zů geselt

Der selb Platonē hort lang jar

Vnd Plato Socratem dar vor

Aber die vätter vnser zitt

Dar vmb das sie verblent der gyt

Nemen sie vff sölich meister nůn

Der jn zům narren macht ein sůn

Vnd schickt jn wider heym zů huß

Halb narrechter dann er kam druß[18]

Des ist zů wundern nit dar an

Das narrē narrecht kynder han

Crates der allt sprach / wān es jm

Zů stůnd / wolt er mit heller stym

Schryē / jer narrē vnbedacht

Ir hant vff gůtsamlē groß acht

Vnd achtē nit vff vwer kind

Den jr sölich richtum samlen sindt

Aber vch wirt zů letst der lon

Wann uwer sün jn rott sönt gon

Vnd stellen zücht vnd eren nach

So ist jn zů dem wesen gach

Wie sie von jugent hant gelert

Dann wirt des vatters leydt gemert

Vnd frist sich selbst das er on nutz

Erzogen hat ein wintterbutz

Ettlich důnt sich in bůben rott

Die lästern vnd gesmächen gott

Die andren hencken an sich säck

Dise verspielen roß vnd röck

Die vierden prassen tag vnd nacht

Das würt vß solchen kynden gmacht

Die man nit jn der iugent zücht

Vnd [mit] eim meister wol versycht

Dann anfang / mittel / end / der ere

Entspringt allein vß gůter lere

Ein löblich ding ist edel syn

Es ist aber frömbd / vnd nit din

Es kumbt von dynen eltern har /

Ein köstlich ding ist richtum gar

Aber des ist des gelückes fall

Das vff vnd ab dantzt wie ein ball /

Ein hubsch ding der weltt glory ist /

Vnstantbar doch / dem alzyt gbrist /

Schonheit des libes man vyl acht

Wert ettwan doch kum vbernacht /

Glich wie gesuntheit ist vast liep

Vnd stielt sich ab doch wie ein diep[19]

Groß sterck / acht man für köstlich hab

Nymbt doch von kranckheit / altter ab /

Dar vmb ist nützt vndöttlich mer

Vnd bliblich by vns dann die ler

Gorgias frogt / ob sellig wer

Von Persia der mähtig her

Sprach Socrates / ich weiß noch nüt

Ob er hab ler vnd tugent üt /

Als ob er sprech / das gwalt vnd golt

On ler der tugent nützet solt


Quelle:
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel 1494, S. 16-20.
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