[Durch den Wald mit raschen Schritten]

[390] Durch den Wald mit raschen Schritten

Trage ich die Laute hin,

Liebe singt, was Leid gelitten

Schweres Herz hat leichten Sinn.[390]


Durch die Büsche muß ich dringen

Nieder zu dem Felsenborn

Und es schlingen sich mit Klingen

Durch die Saiten Ros' und Dorn.


In der Wildnis wild Gewässer

Breche ich mir kühne Bahn

Steig' ich aufwärts in die Schlösser

Schaun sie mich befreundet an.


Haus' ich nächtlich in Kapellen

Stört sich kein Gespenst an mir

Weil sich Wandrer gern gesellen,

Denn auch ich bin nicht von hier.


Seh' ich Wunderschätze glimmen

Locket bald durch Sumpf und Moor

Mich der Irrwisch hin und stimmen

Muß mein Lautenschlag dem Chor.


Zu der Gnomen Hochzeitfeier

Zu der Elfen luft'gem Tanz

Tönet meine ernste Leier

Unerschreckt im Mondenglanz.


In den Schoß der Wunderberge

In der Zauberfräulein Haus

Führen mich die schlauen Zwerge

Und ich singe ohne Graus.


Geister reichen mir den Becher

Reichen mir die kalte Hand,

Denn ich bin ein kühner Zecher

Scheue nicht den glühen Rand.


Ja beim Mahl zur bösen Stunde

Leert' den Becher ich mit Faust,

Wo berührt vom Satansmunde

Höllenglut im Weine braust.[391]


Alles ist mir schon geschehen

Meine Schale ist erfüllt,

Seit ich selber mich gesehen

Hab' das Antlitz ich verhüllt.


Zu der Mainacht Hexenreihen

Spiel' ich nun ein geistlich Lied,

Daß die Schar mit Maledeien

Vor dem fremden Sänger flieht.


In Frau Venus' Berg die Leier

Hab' mit Keuschlamm ich geschmückt

Und sie hat mich ohne Schleier

An die volle Lust gedrückt.


Doch sie konnte mich nicht rühren

Sie vergieng in frommer Scham

Ließ sich leicht von mir verführen,

Daß sie einen Schleier nahm.


Die Sirene in den Wogen,

Hätt' sie mich im Wasserschloß

Gäbe, den sie hingezogen

Gern den Fischer wieder los.


Wo der Schwan im Wellenspiegel

In sein Sternbild niedertaucht

Bricht der Schmerz auch mir das Siegel

Daß mein Leid im Liede haucht.


Meinen weißen Hirsch verloren

Hab' ich mit dem Goldgeweih.

Die in ihn war eingeboren

Starb mit ihm die schöne Fei.


Weh mich hatte die Meduse

Mit dem Schlangenblick versteint

Und seitdem hat meine Muse

Nicht gelachet nicht geweint.[392]


Doch mit scharfen Wünschelruten

Schlug ihr Amor ins Gesicht,

Daß ihr aus in Tränenfluten

Die versteinte Seele bricht.


Bittre Meere um mich rannen

Und wie auch die Phantasie

Mochte bunte Segel spannen,

Nie ach nie! erschifft' ich Sie!


Und nun kehre ich von Thule

Fand da auf des Meeres Grund

Einen Becher, meine Buhle

Trinkt sich nur aus ihm gesund.


Füllet euch ihr ew'gen Tage

Mond und Sonne steigt und sinkt

Dürstend ich den Becher trage,

Und sie fehlt die aus ihm trinkt.


Suchend geh' ich durchs Gedränge

Und die Schuldner mahnen mich

Und ich singe viel Gesänge,

Doch im Herzen weine ich.


Wo die Schätze sind begraben

Weiß ich wohl, Geduld, Geduld

Einer schwebt am Kreuz erhaben,

Der bezahlet meine Schuld.


Während ich dies Lied gesungen

Nahet sich des Waldes Rand

Aus des Laubes Dämmerungen

Trete ich ins offne Land.


Aus der Eichen zu den Mirten

Aus der Laube in das Zelt

Hat der Jäger sich dem Hirten

Flöte sich dem Horn gesellt.[393]


Während du die Lämmer hütest

Zähm' ich dir des Wolfes Wut

Wenn du fromm die Hände bietest

Werd' ich deines Herdes Glut.


Und willst du die Arme schlingen

Um ein Liebchen zwei und zwei,

Will ich dir den Baum schon zwingen

Daß er eine Laube sei.


Du kannst Kränze schlingen, singen

Schnitzen, spitzen Pfeile süß

Ich kann ringen klingen schwingen

Schlank und blank den Jägerspieß.


Gieb die Pfeile nimm den Bogen

Mir ist's Ernst und dir ist's Scherz

Hab die Sehne ich gezogen,

Du gezielt, dann trifft's ins Herz.


Wild getan, wie stolz gesprochen

Weh der Pfeil flog seine Bahn

Hat des Lammes Herz durchstochen

Drohend sah der Hirt mich an.


Dorn ward da die Rosenkrone

Um sein göttlich mildes Haupt:

Vater! rief er, ihn verschone,

Denn er hat an mich geglaubt.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 390-394.
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