[Wohlan! so bin ich deiner los]

[264] Wohlan! so bin ich deiner los

Du freches lüderliches Weib!

Fluch über deinen sündenvollen Schoß

Fluch über deinen feilen geilen Leib,

Fluch über deine lüderlichen Brüste

Von Zucht und Wahrheit leer,

Von Schand' und Lügen schwer,

Ein schmutzig Kissen aller eklen Lüste.

Fluch über jede tote Stunde

Die ich an deinem lügenvollen Munde,

In ekelhafter Küsse Rausch vollbracht,

Fluch über jede gottvergeßne Nacht,

Die ich in deinem frechen Bett erhandelt,

Die ich in toller Liebe überwacht,

Wohl unter deinem Fenster hingewandelt,

Wenn du mit andern in dem Werk befangen,

Mit andrer Lüg' an anderm Mund gehangen.

Mein Gott, mein Gott, er will sich mein erbarmen,

Mein Herr hat mich befreit aus deinen Armen,

Wohin dein Gott, der Satan mich geführt;

Drum hab' ich nimmer dir dein Herz gerührt,

Und wie ich mochte bitten, mochte flehen,

Kein edles Wort hört' ich von dir erstehen,

Du drohst, du elend Weib, dich zu ermorden,

O könntest du's, es stürb' dein ganzer Orden,

Doch spar' die Mühe nur, denn du bist längstens tot,

Längst faulst du in dir selbst, in Sünd' und Lügenkot.

Schneidst du den Hals dir ab

Und springst du in die Spree,[264]

Du findest nie ein Grab

Die Spreu schwimmt in der Höh'.

Des Todes heiliger Traum

Wird nimmer dich erlösen

Es stirbt ein grüner Baum,

Doch nie ein dürrer Besen.

Zur eignen Rute wirst du noch an deinem Rücken,

Und höchstens reicht dein Leib dir einstens schlechte Krücken.

Wohlan, du elend Weib, nun sind wir auf der Stelle

Wo wir zuerst uns sahn, ich, du, und dein Geselle,

Ich mein' den Teufel, Weib, der deine Seele reitet,

Hör' wie sein Flügel rauscht, den über dir er breitet,

Ich hör' den dunklen Fluß, es tönt die dumpfe Welle,

Du Lügnerin leb wohl, leb schlecht, hier ist die Schwelle,

Wo sich mein reuig Herz, von dir du Hexe scheidet,

Verdorren mag der Fuß, der je dein Bett beschreitet,

Ich hab' dich nie gekannt, ich hab' dich nie gesehen,

Es war ein böser Traum, er muß hinuntergehen,

Das lüderliche Buch, um das du mich betrogen,

Aus dem du geile Brunst für andrer Lust gesogen,

Ich werfe es hinab in diese schmutz'gen Wogen,

Und mit ihm werf' ich hin, was ich für dich gefühlt,

Daß sich die böse Glut, die mir das Herz zerwühlt,

In dieses Flusses trüber Welle kühlt.

Nimm hin den Scheidekuß,

Ich geb' ihn ohn' Verdruß,

Von mir sei dir verziehn,

Wend' dich, zu Gott dahin,

Und fleh', daß er verzeih',

Dem Sünder steht es frei.

Er ist für dich, für mich, für alle uns gestorben,

Ich habe im Gebet mir Trost von ihm erworben.

Ich gab des Heilands Bild in deine schnöden Hände,

So bin durch dich ich auch zu einem Judas worden,

Den Herrn hab' ich verkauft, an die, die ihn ermorden,

Erbarm' dich meiner Seel', und zu dem Kreuz dich wende,

O mache, daß an dir dies Bild ein Wunder tut,

Und daß er dich erlöst mit seinem heiligen Blut,[265]

So darf ich ruhig sein, daß ich so fromme Gabe

An dich, du elend Weib, so schnöd vergeudet habe,

Nun wend' ich mich von dir, ich will in Friede gehn,

Ich will unschuldig nun die Sterne wiedersehn,

Ich will zu Gott dem Herrn um Hülfe für dich flehn,

Daß dich die Gnade sein barmherzig mög' anwehn,

Daß einen Engel er, zu dir ermahnen sende,

Daß er dein elend Herz wie meines zu sich wende,

So gehet nicht mein Schmerz, doch Leid und Lieb' zu Ende.

Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 264-266.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
Märchen / Ausgewählte Gedichte (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon