Achtes Kapitel

Achtes Kapitel

[60] Es tut nicht gut, wenn man im Bad

Und nur die Füße draußen hat. –

Auch Bählamm hat's nicht wohlgetan.

Es zog ihm in den Backenzahn. –


Das Zahnweh, subjektiv genommen,

Ist ohne Zweifel unwillkommen;

Doch hat's die gute Eigenschaft,

Daß sich dabei die Lebenskraft,

Die man nach außen oft verschwendet,

Auf einen Punkt nach innen wendet

Und hier energisch konzentriert.

Kaum wird der erste Stich verspürt,

Kaum fühlt man das bekannte Bohren,

Das Rucken, Zucken und Rumoren –

Und aus ist's mit der Weltgeschichte,[60]

Vergessen sind die Kursberichte,

Die Steuern und das Einmaleins.

Kurz, jede Form gewohnten Seins,

Die sonst real erscheint und wichtig,

Wird plötzlich wesenlos und nichtig.

Ja, selbst die alte Liebe rostet –

Man weiß nicht, was die Butter kostet –

Denn einzig in der engen Höhle

Des Backenzahnes weilt die Seele,

Und unter Toben und Gesaus

Reift der Entschluß: Er muß heraus!! –


Noch eh' der neue Tag erschien,

War Bählamm auch so weit gediehn.


Achtes Kapitel

Er steht und läutet äußerst schnelle

An Doktor Schmurzel seiner Schelle.
[61]

Achtes Kapitel

Der Doktor wird von diesem Lärme

Emporgeschreckt aus seiner Wärme.

Indessen kränkt ihn das nicht weiter;

Ein Unglück stimmt ihn immer heiter.


Achtes Kapitel

Er ruft: »Seid mir gegrüßt, mein Lieber!

Lehnt Euch gefälligst hintenüber!

Gleich kennen wir den Fall genauer!«
[62]

Achtes Kapitel

(Der Finger schmeckt ein wenig sauer.)

»Nun stützt das Haupt auf diese Lehne


Achtes Kapitel

Und denkt derweil an alles Schöne!
[63]

Achtes Kapitel

Holupp!!

Wie ist es? Habt Ihr nichts gespürt?

Ich glaub, es hat sich was gerührt!


Achtes Kapitel

Da dies der Fall, so gratulier ich!

Die Sache ist nicht weiter schwierig!
[64]

Achtes Kapitel

Hol – – – upp!!!«

Vergebens ist die Kraftentfaltung;

Der Zahn verharrt in seiner Haltung.
[65]

Achtes Kapitel

»Hab's mir gedacht!« sprach Doktor Schmurzel,

»Das Hindernis liegt in der Wurzel.

Ich bitte bloß um drei Mark zehn!


Achtes Kapitel

Recht gute Nacht! Auf Wiedersehn!«
[66]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 4, Hamburg 1959, S. 60-67.
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