Siebtens

Die Beichte

[108] Es wohnte zu Padua ein Weib,

Bös von Seele, gut von Leib,

Genannt die schöne Monika. –

Als die den frommen Pater sah,

Verspürte sie ein groß Verlangen,

Auch ihn in ihre Netze zu fangen.

»Geht, rufet mir den heil'gen Mann« –

So sprach sie – »daß ich beichten kann!«

Er kam und trat ins Schlafgemach.

Sie war so krank, sie war so schwach.


Die Beichte

[108] »Sei mir gegrüßt, o heil'ger Mann!

Und höre meine Beichte an!«

Antonius sprach mit ernstem Ton:

»Fahre fort, meine Tochter, ich höre schon!«

»Am Freitag war es, vor acht Tagen –

Ach Gott! Ich wag' es kaum zu sagen! –

Es war schon spät, ich lag allein –

Da trat ein Freund zu mir herein. –

– Gewiß, ich konnte nichts dafür! –

Er setzte sich ans Bett zu mir... –...

– Ach, frommer Vater Antonio!

Wie Ihr da sitzt! Gerade so!«


Antonius sprach mit ernstem Ton:

»Fahre fort, meine Tochter, ich höre schon!«[109]

»So saß er da und sprach kein Wort

Und sah mich an in einem fort

Und sah so fromm und freundlich drein –

Ich konnte ihm nicht böse sein!


Die Beichte

– Die Finger waren schlank und zart,

Blau war sein Auge, blond sein Bart...

– Ach, guter Vater Antonio!

Gerade wie Eurer! Gerade so!«[110]

Antonius sprach mit ernstem Ton:

»Fahre fort, meine Tochter, ich höre schon!«


Die Beichte

»Und leise tändelnd, mit der Rechten,

Berührt er meine losen Flechten,

Zieht meine Hand an seine Lippen,

Gar lieb und kosend dran zu nippen...[111]

Ach, bester Vater Antonio!

So nippte er! Gerade so!!!«


Die Beichte

Antonius sprach mit ernstem Ton:

»Fahre fort, meine Tochter, ich höre schon!«


»So nippte er – und nippt nicht lange –

Er preßt' den Mund an meine Wange.

›Geliebte‹, sprach er, ›liebst du mich??‹

›Ja‹, sprach ich, ›rasend lieb' ich dich!!‹
[112]

Die Beichte

Ja, liebster, bester Antonio!


Die Beichte

Ich lieb dich rasend, gerade so!!!«


Die Beichte

[113] Da sprach Antonius mit barschem Ton:

»Verruchtes Weib! Jetzt merk' ich's schon!!!« –


Die Beichte

Kehrt würdevoll sich um – und – klapp!! –

Die Türe zu – geht er treppab.


Da sprach die schöne Monika,

Die dieses mit Erstaunen sah:

»Ich kenne doch so manchen Frommen!

So was ist mir nicht vorgekommen!!«
[114]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 108-115.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der heilige Antonius von Padua.
Der heilige Antonius von Padua
Der heilige Antonius von Padua

Buchempfehlung

Reuter, Christian

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

Nachdem Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt wird weil er die Miete nicht bezahlt hat, schreibt er eine Karikatur über den kleinbürgerlichen Lebensstil der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«, die einen Studenten vor die Tür setzt, der seine Miete nicht bezahlt.

40 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon