[206] »Helene!« – sprach der Onkel Nolte –
»Was ich schon immer sagen wollte!
Ich warne dich als Mensch und Christ:
Oh, hüte dich vor allem Bösen!
Es macht Pläsier, wenn man es ist,
Es macht Verdruß, wenn man's gewesen!«
»Ja leider!« – sprach die milde Tante –
»So ging es vielen, die ich kannte!
Drum soll ein Kind die weisen Lehren
Der alten Leute hochverehren!
Die haben alles hinter sich
Und sind, gottlob! recht tugendlich!
Nun gute Nacht! Es ist schon späte!
Und, gutes Lenchen, bete, bete!«
[206] Helene geht. – Und mit Vergnügen
Sieht sie des Onkels Nachthemd liegen.
Die Nadel her, so schnell es geht!
Und Hals und Ärmel zugenäht!!
Darauf begibt sie sich zur Ruh
Und deckt sich warm und fröhlich zu.
[207]
Bald kommt der Onkel auch herein
Und scheint bereits recht müd zu sein.
Erst nimmt er seine Schlummerprise,
Denn er ist sehr gewöhnt an diese.
[208] Und nun vertauscht er mit Bedacht
Das Hemd des Tags mit dem der Nacht.
Doch geht's nicht so, wie er wohl möcht,
Denn die Geschichte will nicht recht.
[209]
»Potztausend, das ist wunderlich!«
Der Onkel Nolte ärgert sich.
Er ärgert sich, doch hilft es nicht.
Ja siehste wohl! Da liegt das Licht!
[210] Stets größer wird der Ärger nur,
Es fällt die Dose und die Uhr.
Rack! – stößt er an den Tisch der Nacht,
Was einen großen Lärm gemacht.
[211] Hier kommt die Tante mit dem Licht. –
Der Onkel hat schon Luft gekriegt.
»O sündenvolle Kreatur!!
Dich mein ich dort! – Ja, schnarche nur!«
Helene denkt: Dies will ich nun
Auch ganz gewiß nicht wieder tun.[212]
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Die Fromme Helene
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