Hans Huckebein der Unglücksrabe

Hans Huckebein der Unglücksrabe

[475] Hier sieht man Fritz, den muntern Knaben,

Nebst Huckebein, dem jungen Raben.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Und dieser Fritz, wie alle Knaben,

Will einen Raben gerne haben.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

[475] Schon rutscht er auf dem Ast daher,

Der Vogel, der mißtraut ihm sehr.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Schlapp! macht der Fritz von seiner Kappe

Mit Listen eine Vogelklappe.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

[476] Beinahe hätt' er ihn! – Doch ach!

Der Ast zerbricht mit einem Krach.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

In schwarzen Beeren sitzt der Fritze,

Der schwarze Vogel in der Mütze.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

[477] Der Knabe Fritz ist schwarz betupft;

Der Rabe ist in Angst und hupft.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Der schwarze Vogel ist gefangen,

Er bleibt im Unterfutter hangen.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

[478] »Jetzt hab' ich dich, Hans Huckebein,

Wie wird sich Tante Lotte freun!«


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Die Tante kommt aus ihrer Tür;

»Ei!« – spricht sie – »welch ein gutes Tier!«[479]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Kaum ist das Wort dem Mund entflohn,

Schnapp! hat er ihren Finger schon.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

»Ach!« – ruft sie – »er ist doch nicht gut!

Weil er mir was zuleide tut!!«[480]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Hier lauert in des Topfes Höhle

Hans Huckebein, die schwarze Seele.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Den Knochen, den er Spitz gestohlen,

Will dieser jetzt sich wiederholen.
[481]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Sie ziehn mit Knurren und Gekrächz,

Der eine links, der andre rechts.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Schon denkt der Spitz, daß er gewinnt,

Da zwickt der Rabe ihn von hint'.[482]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

O weh! Er springt auf Spitzens Nacken,

Um ihm die Haare auszuzwacken.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Der Spitz, der ärgert sich bereits

Und rupft den Raben seinerseits.[483]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Derweil springt mit dem Schinkenbein

Der Kater in den Topf hinein.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Da sitzen sie und schaun und schaun. –

Dem Kater ist nicht sehr zu traun.
[484]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Der Kater hackt den Spitz, der schreit,

Der Rabe ist voll Freudigkeit.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Schnell faßt er, weil der Topf nicht ganz,

Mit schlauer List den Katerschwanz.[485]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Es rollt der Topf. Es krümmt voll Quale

Des Katers Schweif sich zur Spirale.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Und Spitz und Kater fliehn im Lauf. –

Der größte Lump bleibt obenauf!! –[486]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Nichts Schönres gab's für Tante Lotte

Als schwarze Heidelbeerkompotte.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Doch Huckebein verschleudert nur

Die schöne Gabe der Natur.
[487]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Die Tante naht voll Zorn und Schrecken;

Hans Huckebein verläßt das Becken.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Und schnell betritt er, angstbeflügelt,

Die Wäsche, welche frisch gebügelt.
[488]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

O weh! Er kommt ins Tellerbord;

Die Teller rollen rasselnd fort.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Auch fällt der Korb, worin die Eier –

Ojemine! – und sind so teuer!
[489]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Patsch! fällt der Krug. Das gute Bier

Ergießt sich in die Stiefel hier.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Und auf der Tante linken Fuß

Stürzt sich des Eimers Wasserguß.
[490]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Sie hält die Gabel in der Hand,

Und auch der Fritz kommt angerannt.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Perdums! da liegen sie. – Dem Fritze

Dringt durch das Ohr die Gabelspitze.[491]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Dies wird des Raben Ende sein –

So denkt man wohl – doch leider, nein!


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Denn – schnupp! – der Tante Nase faßt er;

Und nochmals triumphiert das Laster![492]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Jetzt aber naht sich das Malör,

Denn dies Getränke ist Likör.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Es duftet süß. – Hans Huckebein

Taucht seinen Schnabel froh hinein.
[493]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Und läßt mit stillvergnügtem Sinnen

Den ersten Schluck hinunterrinnen.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Nicht übel! – Und er taucht schon wieder

Den Schnabel in die Tiefe nieder.[494]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Er hebt das Glas und schlürft den Rest,

Weil er nicht gern was übrig läßt.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Ei, ei! Ihm wird so wunderlich,

So leicht und doch absunderlich.
[495]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Er krächzt mit freudigem Getön

Und muß auf einem Beine stehn.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Der Vogel, welcher sonsten fleucht,

Wird hier zu einem Tier, was kreucht.
[496]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Und Übermut kommt zum Beschluß,

Der alles ruinieren muß.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

Er zerrt voll roher Lust und Tücke

Der Tante künstliches Gestricke.
[497]

Hans Huckebein der Unglücksrabe

Der Tisch ist glatt – der Böse taumelt –

Das Ende naht – sieh da! er baumelt.


Hans Huckebein der Unglücksrabe

»Die Bosheit war sein Hauptpläsier,

Drum« – spricht die Tante – »hängt er hier!!'[498]


Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 1, Hamburg 1959, S. 475-499.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Hans Huckebein der Unglücksrabe
Hans Huckebään, der Óngléckskoof: Wilhelm Busch: Hans Huckebein, der Unglücksrabe nachgedichtet in Saarlouiser Moselfränkisch

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