Viertes Kapitel

[107] Recht gern empfängt die Musenstadt

Den Fremdling, welcher etwas hat. –

Kuno ist da. – Gedankentief

Verfaßt derselbe diesen Brief:


Viertes Kapitel

»Geehrter Herr Vater! Bei Meister Quast

Hat es mir leider nicht recht gepaßt.

Seit vorigen Freitag bin ich allhie.

Um zu besuchen die Akademie.

Geld hab ich bereits schon gar nicht mehr.

Um solches, o Vater, ersuch ich Euch sehr.

Logieren tu ich auf hartem Gestrüppe.

Euer Sohn, das Hunger- und Angstgerippe.«[107]

Der Vater, kratzend hinterm Ohr,

Sucht hundert Gulden bang hervor.

Eindringlich warnend vor Verschwendung,

Macht er dem Sohn die schwere Sendung.


Viertes Kapitel

Jetzt hat der Kuno Geld in Masse.

Stolz geht er in die Zeichenklasse.

Von allen Schülern, die da sitzen,

Kann keiner so den Bleistift spitzen.

Auch sind nur wenige dazwischen,

Die so wie er mit Gummi wischen.

Und im Schraffieren, was das Schwerste,

Da wird er unbedingt der Erste.

Jedoch zunacht, wenn er sich setzte,

Beim Schimmelwirt, blieb er der Letzte.[108]

Mit Leichtigkeit genießt er hier

So seine ein, zwei, drei Glas Bier.


Viertes Kapitel

Natürlich, da er so vorzüglich,

Sitzt er zu Ostern schon vergnüglich

Im herrlichen Antikensaale,

Dem Sammelplatz der Ideale.


Der Alten ewig junge Götter –

Wenn mancher auch in Wind und Wetter

Und sonst durch allerlei Verdrieß

Kopf, Arm und Bein im Stiche ließ –
[109]

Viertes Kapitel

Ergötzen Kuno unbeschreiblich;

Besonders, wenn die Götter weiblich.

Er ahmt sie nach in schwarzer Kreide.


Doch kann er sich auch diese Freude

An schönen Sommernachmittagen,

Wenn's grade nötig, mal versagen

Und eilt mit brennender Havanna

Zum Schimmelwirt zu der Susanna.
[110]

Viertes Kapitel

Hier in des Gartens Lustrevier

Trinkt er so zwei, drei, vier Glas Bier.

Daher man denn auch bald erfuhr,

Der Klecksel malt nach der Natur.


Viertes Kapitel

Am linken Daumen die Palette,

Steht er schon da vor seinem Brette

Und malt die alte Runzeltante,

Daß sie fast jeder wiederkannte.


Viertes Kapitel

[111] Doch eh die Abendglocke klang,

Macht er den hergebrachten Gang

Zur Susel und vertilgt bei ihr

So seine vier, fünf, sechs Glas Bier.

Da eines Abends sagt ganz plötzlich,

Grad als der Kuno recht ergötzlich,

Dies sonst so nette Frauenzimmer:


Viertes Kapitel

»Jetzt zahlen, oder Bier gibt's nimmer!«

Ach! reines Glück genießt doch nie,

Wer zahlen soll und weiß nicht wie!

Nach diesem mit Wehmut gemachten Vermerke

Fahren wir fort im löblichen Werke.
[112]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 4, Hamburg 1959, S. 107-113.
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