Vorspiel I.

[7] Wittenberg.

Vormittags. Studierzimmer. Hoher gotischer Raum, halb Bibliothek und halb alchemistische Küche, der sich in undeutliche Tiefe verliert; etwas verwittert. Faust, am Herde, mit der Beobachtung eines werdenden chemischen Vorganges beschäftigt und völlig darin vertieft. Nach kurzer Stille tritt Wagner ein.


WAGNER. Euerer Magnifizenz Verzeihung ... Da Faust keine Antwort gibt, verbleibt Wagner in respektvoller Erwartung. Euerer Magnifizenz Verzeihung: allein, es melden sich drei Studenten.

FAUST. Ihr Wunsch?

WAGNER. Sie wollen ein Buch überreichen –.

FAUST. Wagner, wahrhaftig! Ich mag so nicht weiter. Das Leben rollt rascher und – nicht mehr aufwärts. Nicht darf ich so breite Zeit an andre wenden. Und dem hilft doch kein Rat, der sich nicht selber besinnt! – Macht mich bei ihnen entschuldigt.

WAGNER. Euerer Magnifizenz Verzeihung. Es ist keine Arbeit diesmal, die man von Ihnen heischt. Das Buch mag sein eine seltene Handschrift, denn es trägt einen sonderlichen Titel: Clavis Astartis Magica ...[7]

FAUST in höchster Überraschung. Clavis Astartis –? Irrt Ihr Euch nicht? Wollt Ihr mich gar nasführen! Fangt Ihr Grillen? Seht Ihr Geister?

WAGNER. Nein, nein, ich kann Magnifizenz versichern.

FAUST mit einfachem Entschluß. Also laßt die Studenten ein.

Wagner ab.


FAUST. Faust, Faust, nun erfüllt sich dein Augenblick! Die Zaubermacht in meine Hand gegeben, die ungeheueren Zeichen mir erschlossen, heimliche Gewalten mir geknechtet, und ich kann – ja, ich kann – o, ihr Menschen, die ihr mich gepeinigt, hütet euch vor Faust! In seine Hand die Macht gegeben, heimliche Gewalt ihm zu Gebot, er wird euch zwingen, euch bezwingen. Wehe, wehe über euch! Er läßt den Kopf sinken. ... Wenn Wagner dennoch irrte ... vielleicht zum Heile ...? Faust seufzt tief.

WAGNER tritt ein. Euere Magnifizenz, die Studenten sind hier.

FAUST gefaßt. Sie sollen kommen. Wagner gibt ein Zeichen nach der Tür hin.

Es treten auf drei schwarzgekleidete Studenten.


FAUST. Wer seid ihr?

DIE DREI. Studenten aus Krakau.

FAUST. O, mein altes, mein teures Krakau! Eure Gestalten rufen die Jugend mir zurück. Träume! Pläne! Wieviel hatt' ich gehofft! – Seid willkommen. Die Studenten verneigen sich zu dritt. Und was führt euch zu mir?[8]

DER ERSTE. Dieses Buch leg' ich in Eure Hand.

Faust unterdrückt eine Bewegung des Ungestüms.


DER ZWEITE. Von mir erhaltet Ihr den Schlüssel.

DER DRITTE. Diese Briefschaft macht es zu Euerem Eigentum.

FAUST. Wie kommt ein solches Geschenk mir zu?

DIE DREI. Du bist der Meister!

FAUST. Also darf ich es eignen?

DIE DREI. Es ist deines.

FAUST. Und wie soll ich euch dieses vergelten?

DIE DREI. Später. Leb' wohl, Faust.

FAUST. Verweilet, bleibet meine Gäste!

DIE DREI. Leb' wohl, Faust.

FAUST. So saget, daß ich euch wiederseh.

DIE DREI. Vielleicht. Leb' wohl, Faust. Sie gehen ab.

FAUST sieht ihnen kopfschüttelnd nach. Sonderlinge!

Wagner tritt wieder ein.


FAUST. Habt Ihr den Studenten begegnet? Und wollt Ihr nicht sie geleiten?

WAGNER. Euere Magnifizenz, ich begegnete keinem.

FAUST. Soeben gingen sie.

WAGNER. Ich sah niemanden.

FAUST. Ihr habt sie versäumt. Ach, nun weiß ich, wer sie gewesen.

Der Metallbrei auf dem Herd überkocht mit lautem Geprassel. Wagner eilt geschäftig hinzu.


Quelle:
Ferruccio Busoni: Doktor Faust, Wiesbaden 1953, S. 7-9.
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