Klag-Rede über das frühzeitige Absterben der Durchlauchtigen Chur-Printzeßin zu Brandenburg, Frauen Elisabeth Henrietten, gebohrner Land-Gräfin zu Hessen[340] 1

1683


Fursten, sterben zwar eben so, wie alle Menschen; doch haben sie, zu solcher Zeit, vor andern ein grosses voraus. Was Ihr Tod nach sich ziehet, giebet nicht nur eine Veränderung in einem Hause oder Geschlechte, sondern auch zugleich in unzehlich vielen Seelen.

Man weiß, daß offt, durch das Absterben eines eintzigen hohen Hauptes, die Welt in solche Unordnung gesetzet worden, daß aller Menschen Klugheit und Macht dieselbe kaum wieder zu rechte[341] bringen können. Es sind die Zeugnisse davon in mehr als einem Reiche und Lande mit Blut und Thränen angeschrieben: und, wann es ungewiß ist, ob Gott, ihren Fall vorher anzudeuten, Cometen am Himmel aufstecket; so ist doch dieses gewiß, daß von ihrem Fall offt ein grosser Theil des Erdbodens erschüttert wird.

Sonderlich aber, macht Ihr Todt die Gemüths-Bewegung bey vielen tausenden lebendig.

Der Untergang eines Tyrannen erwecket insgemein ein solches Frolocken bey allen; daß auch so gar ein sterbender Herodes sein Testament zu einem Blut-Urtheile machen müssen, damit, wo nicht sein Abschied, doch zum wenigsten das Andencken seiner Grausamkeit,2 nasse Augen verursachen möge. Da ist nichts gemeiners, als daß man die Lob-Schrifften und Ehren-Pforten mit Füssen tritt, daran Heucheley oder Zwang gearbeitet haben.

Hingegen mercket man ein durchgehendes Leidwesen, wenn getreuen Unterthanen ihre Schutz-Götter entzogen werden: und in solchen Fällen beweinet man nicht nur Fürsten, die allbereit in der That den Cörper des gemeinen Wesens beseelet, oder Fürstinnen, die würcklich an der Wohlfarth des Landes mitgearbeitet haben; sondern, selbst der Verlust einer blühenden und heranwachsenden Hoffnung ist unerträglich. Denn die Tugend entgehet uns allemahl zur Unzeit: und weil gemeiniglich, auf einen schönen Morgen, ein schöner Mittag folget; so giebt es ein trauriges Ansehen, wann die Sonne verdunckelt wird, ehe sie kaum halb über unsern Gesichts-Kreiß gestiegen.

Wolte Gott! daß mir jetzund kein Beyspiel eines so schmertzlich-beklagten Todesfalls einfiele, oder nur ein solches, das uns weniger, als dieses gegenwärtige, angienge! Wolte Gott! die Hochseligste Chur-Printzeßin wäre unsterblich gewesen; oder, da Sie nicht[342] unsterblich war, daß erst unsere Nachkommen im dritten oder vierdten Gliede, Ihr diese betrübte Aufwartung leisten dürfften!

Grosse Donnerschläge machen grossen Schrecken. Hier ist die Traurigkeit allgemein, hier weinet niemand aus Gewonheit oder aus flüchtigem Mitleiden; dann ein jeder ist überzeuget, daß er Ursache dazu habe.

Wer kan mit gleichem und unbewegten Muthe ansehen, daß der Sohn unsers Großmächtigen Chur-Fürstens, der theure Chur-Printz,3 der Trost so vieler Länder, vor Schmertzen ausser sich selbst gesetzet ist, weil ihm der allerempfindlichste Zufall, der Tod seiner unvergleichlichen Gemahlin, zugestossen? Wer kan, ohne Bestürtzung und Mitleiden, anhören, daß die Durchlauchtigsten Schwieger-Eltern einer so gehorsamen Tochter, und das Hochberühmte Chur-Hauß eines so unschätzbaren Kleinodes unverhofft entbehren müssen?

Es ist bekannt, daß Ihr Gemüthe ein Aufenthalt aller Fürstlichen Vollkommenheiten war, und also eines von denen Werckzeugen, deren sich der Himmel sehr offt bedienet, wann er ein gantzes Land beglückseligen will. Wer hat nun so wenig Nachdencken, daß er nicht urtheilen solte, wie viel Gutes mit Ihr, in einem Augenblicke, verschwunden sey?

Ihr Leben war wie ein Licht, in welchem kein irrdisches Auge was unreines fand. Ihren andächtigen Sinn kennete Gott am besten! Dem eröffnete Sie das innerste Ihrer Seelen. So viel erinnern wir uns, daß die Lehrer selbst sich über ihre Wissenschafft verwundert, und daß auch die Unsträfflichsten, durch ihren Wandel, noch mehr erbauet worden.

Ihre weltliche Gedancken, deren sie sich nicht entschlagen konte, weil Sie auf Erden etwas weniger als ein Engel war, giengen weder auf die Erfindung noch Ausübung der Eitelkeit. Sie betrachtete diese niemahls anders, als eine unangenehme See-Lufft, welche[343] man in währender Schiffart, und ehe man das Land erreichet, nicht verändern kan.

Ihre meisten Anschläge waren vielmehr, wie Sie ihrem werthesten Gemahl gefallen wolte: und sie war hierinnen so glücklich, daß das Gedächtniß Ihrer beyderseitigen liebreichen Verbindung, ob solche gleich an sich selbst nicht so dauerhafft als Stahl und Marmor seyn konte, doch würdig wäre, in Stahl und Marmor eingegraben zu werden.

Jene gekrönte Häupter, die durch Entdeckung der neuen Welt so viel Reichthümer erlangten, daß sie fast die alte hätten an sich kauffen können, zehlet man unter die glückseligsten Fürsten ihrer Zeit. Doch bin ich versichert, wäre es möglich, und unserm Durchl. Chur-Printzen vergönnet, eine neue Welt, oder Seine Hochseligste Gemahlin erwehlen, er würde jene, für diese, fahren lassen. Ja, wäre es möglich, ich glaube, Er verwandelte jene Fabel in eine wahrhafftige Geschicht, und versuchte die Gefahr, den Geist seiner zu früh verblichenen4 Eurydice wieder zu holen.

Denn Sie war von einem Werthe, gegen welchen das Gold viel geringer, als der Staub gegen das Gold, zu achten. Sie hatte viele Tugenden, deren jede absonderlich einen Thron und Scepter verdiente. Sie besaß sein gantzes Hertz, und doch gab sie sich so viel Mühe, als wann Sie es erst gewinnen müste. Seine Gegenwart und seine Vergnügung brachten Ihr Freude; seine Abwesenheit und seine Sorgen, lauter Unlust. Sie lernete bald Seinen Wincken mit der That vorkommen, und Seine Gedancken errathen.

So eine holdselige Gemahlin, als Sie ihrem Herrn war, so eine sorgfältige Mutter würde Sie auch dem einigen hinterlassenen5[344] Pfande Ihrer gesegneten Liebe gewesen seyn; welches, in so weit, für glücklicher zu halten, weil es, bey so zarter Kindheit, die mütterlichen Küsse annoch leichter, als bey reifferem Alter, vergessen kan.

Hessen, welches das Glück gehabt, Sie in6 Ihrer Wiege zu sehen, kan den aufrichtigen Gehorsam nicht genugsam rühmen, den Sie, von Anfang ihres Lebens, gegen Ihre nunmehr auch Hochseligste Frau Mutter7 blicken lassen; und die Marck Brandenburg, welche das Unglück hat, Sie im Sarge zu erblicken, kan denjenigen Eyfer nicht gnugsam preisen, mit welchem Sie, biß zum Ende ihres Lebens, darinn fortgefahren. Dann, als Sie kaum an sich selbst mehr gedencken konte, und, so zu reden, schon an der Thüre des Paradieses stunde, sahe Sie sich noch einmahl um, von derjenigen Zeitung zu erfahren, gegen welche Sie allemahl eine so kindliche Liebe und Ehrfurcht bezeuget hatte. Das Hertz sagte ihr eine böse Post, die Ihr sonst niemand sagen wolte; und wie es bißher geschienen hatte, als stürbe die Mutter, an statt der Tochter, um, mit ihrem Opffer das unerbittliche Verhängniß zu versöhnen; so hatte es, nach diesem, das Ansehen, als wann die Tochter desto mehr zum Sterben eilete, um die freudige Zusammenkunfft ihrer beyden Seelen nicht länger zu verzögern.

So bald Sie eine Tochter in diesem Chur-Fürstlichen Hause ward, machte Sie unter denen Hohen Eltern, die ihr die Natur oder das Glück gegeben, gantz keinen Unterscheid. Ihre Bezeugungen gegen Dieselben waren voll Ehrerbietung und ungefärbter Liebe, welche mehr aus einer heiligen Begierde, der göttlichen Satzung zu folgen,[345] als aus irgend einem eigennützigen Absehen, herflossen. Sie ergötzte sich an dem Aufnehmen des gantzen Geschlechts, an welches Sie durch ein doppeltes Band der Freundschafft8 war verknüpffet worden. Denen, die Ihr an Hoheit gleich kamen, begegnete Sie freundlich; auch dem geringsten gnädig: beyden aber ohne falsch.

So ein kostbares Gefäß, als Ihr Hertz, konte keinen Gifft leiden: so edle Zuneigungen als die Ihrigen hatten keine betrügliche Maske zur Verstellung vonnöthen. Sie war nicht sonder Eyfer; aber Sie eyferte nur wieder die Verachtung des Heiligthums. Sie war nicht ohne Haß; aber sie hassete nur die Schmeicheley und Verläumdung, die sich mit einer so grossen Fürstin, wie Sie war, niemahls dürffen gemein machen. Alles Ihr Vornehmen ward auf Gerechtigkeit gegründet, und mit Sanfftmuth ausgeführet. Durch Demuth bekam unsre hochseligste Printzeßin eine unbeschränkte Macht über die Hertzen. Sie wuste, daß durch dieselbe ein grosses Glück, ein grosser Verstand, eine grosse Tugend noch grösser wird; und daß eine Fürstin, durch die Demuth, die schönen Nahmen der Fro ien, der Leutseligen, und der Wollust des menschlichen Geschlechts, gewinne.

Wie ungern erinnere ich mich ihrer Todes-Stunde!9 Ich dürffte fast sagen, man solte Sie unter die verworffenen Tage in den Jahr-Büchern ansetzen. Aber selbst dieses Bittere dienet zur Stärckung, und wir nehmen dadurch Anlaß, unsere Heldin in ihrer Standhafftigkeit anzuschauen. Dann Ihr Thun und Wesen hatte noch mehr Beständigkeit als Glantz an sich, wie jene Hertzogin von Savoyen über einen Diamant geschrieben.10

Daß vielen das Sterben schwer ankommt, davon mag dieses wohl[346] eine Ursache seyn, weil sie gewiß wissen, daß sie, vor dem Tode, leben; aber noch ungewiß sind, ob, oder wie sie, nach dem Tode, leben werden.

Hier war eine viel bessere und eine gantz sichere Erkäntniß. Sie hatte sich schon die meiste Zeit des Lebens geübet, diesen eintzigen und gefährlichen Schritt, der das Gegenwärtige von dem Zukünfftigen unterscheidet, ohne Fehltritt, zu thun. Ihr Sinn ward allemahl, gleichsam durch ein Gewichte, zu dem Mittel-Puncte des Todes getragen, den alle Zirckel und Linien des menschlichen Lebens zu ihrem Zwecke haben. Daher fand Sie einen Zufall nicht gar zu fremd, zu welchem Sie sich vorlängst bereitet hatte.

Es ist zu vermuthen, der Schmertz müsse durchdringend gewesen seyn, daß Sie Ihren liebsten Gemahl11 nicht noch einmahl sehen können, da sie verscheiden solte; weil es Ihr schmertzlich fiel, wann Sie Ihn nicht sehen konte, da Sie gesund war. Es ist zu vermuthen, daß die Vorsorge für Ihre unerzogene Printzeßin12 Sie am längsten aufgehalten, sich von den Bekümmernissen dieser Welt gäntzlich abzusondern; doch ward Ihre Gedult, durch diese Proben, und Ihr Sieg, durch diesen Streit, nur herrlicher gemacht.

Hat Sie aber überwunden, so wird es uns übel anstehen, Ihren Triumph mit Seufftzen zu stöhren. Hält Sie den Verlust ihres Lebens für einen Gewinn, warum können wir nicht auch damit zu frieden seyn? Wohnet Sie unter den Lilien, warum verlangen wir Sie unter den Dorn-Hecken? So gar ungütig ist offt unsere Wehmuth! So gar eigennützig sind alle unsere Wünsche![347]

Der Durchlauchtigste Chur-Printz, welchen dieser Schlag am ersten und hefftigsten getroffen, wird uns mit seiner Großmüthigkeit vorleuchten. Er wird nicht ungedultig seyn, daß Sie sterblich gewesen, denn sonst hätte Er Sie schon bey Ihrem Leben betrauren müssen. Er wird nicht ungedultig seyn, daß Sie Ihm abgestorben, denn Er ist viel zu vernünfftig, als daß Er dem Höchsten wiederstreben, und ihm, einer Wunde halben, den Dienst und Gehorsam aufkündigen solte.

Hat Er ein Theil seiner selbst verlohren, so ist das andere desto höher zu halten, und dieses gehöret Ihm nicht allein zu: das Vaterland hat auch sein Recht daran.

Damit aber sein schöner Denck-Spruch: Einem jeden das Seinige, hier in acht genommen werde, so gebe Er seinen Kummer der höchstseligen Gemahlin mit in Ihre Grufft!13

Er behalte für sich ihren Abdruck in seiner Einbildung! Er stelle Sie sich aber vor, nicht in der Gestalt einer Sterbenden, oder einer Leiche, dann diese Abbildung ist nunmehr falsch.

Er stelle Sie sich vor in der Gestalt einer himmlischen Königin, die, wann es Ihr Zustand zuliesse, etwas zu beklagen, anders nichts beklagen würde, als daß Sie der Vergänglichkeit nicht eher gute Nacht gegeben.

Alsdann wird aus Seiner Zufriedenheit die unsrige, und aus seiner Ruhe unsere Wohlfart entspriessen.
[348]

So schliessen wir den Sarg der werthen Henrietten!

Es konten Ihren Leib nicht Stand noch Jugend retten,

Nur Ihrer Gottesfurcht und Tugend wich der Tod,

So, daß ihr bester Theil vom Sterben frey geblieben:

Durch jene lebt Ihr Geist, befreyt von aller Noth,

Durch diese bleibt Ihr Lob den Hertzen eingeschrieben.

Fußnoten

1 Diese Rede ist nicht in der ersten Ausgabe der sogenannten Neben-Stunden zu finden, sondern erst der dritten im Jahr 1703. wie hernach einigen folgenden, und aus solchen auch dem zweyten Theile der Reden grosser Herren eingerücket worden; biß der Herr von Canstein, ein Schwager des Herrn von Canitz, in der letzten Ausgabe im Jahr 1719. solche, samt dem Anhange, von den Canitzischen Gedichten wieder abgesondert, und in der Vorrede ausdrücklich gemeldet, daß er sie nicht für seines Schwagers Arbeit halte: vielleicht, weil er solche unter den ererbten Canitzischen Schrifften nicht gefunden. Nachdem ich auch in dem gedruckten Ehren-Gedächtniße dieser Chur-Printzeßin zwar einige Leichen-Predigten und Gedichte, darunter eines von Ihrem gewesenen Ober-Hofmeister, dem Herrn Eusebius von Brand, und das von dem Herrn von Besser, nicht aber diese Rede gefunden, auch in der Beschreibung ihrer öffentlichen Leichen-Bestattung nichts von einer dabey gehaltenen Stand-Rede gedacht worden; so würde ich solche bey nahe auch in gegenwärtiger Auflage weggelassen haben, falls nicht der Herr geheime Cammer-Rath von Weise, ein sehr vertrauter Freund, ehemahliger Reise-Gefährte und Hofmeister des Herrn von Canitz schrifftlich versichert hätte, daß diese Rede gewiß desselben Arbeit sey, die er auch selbst zu erst, nach des Herrn Verfassers Tode, dem Verleger zur dritten Auflage mitgetheilet habe. Welches allein genug gewesen wäre, allen Zweiffel zu heben, wann man auch gleich nachgehends nicht durch andere Versicherungen darinn wäre bestärcket worden.


2 Herodes, der Grosse, war so blutdürstig, daß er auch noch auf seinem Todt-Bette, krafft seines letzten Willens, den grausamen Befehl ertheilte, die edelsten und verdientesten Leute zusammen zu beruffen, und nach seinem Absterben hinzurichten; damit sich niemand über seinen Tod erfreuen, sondern vielmehr das gantze Jüdische Volck, bey seinem Ableben, Ursache zu trauren haben möchte. Wie solches Josephus im XIV. Buche seiner Jüdis. Alterth. im 6. Capitel sehr umständlich erzehlet.


3 Der damahlige Brandenburgische Chur-Printz, nach der Zeit König in Preussen, Friedrich der erste, welcher diese seine erste Gemahlin in ihrem 22sten Jahre verlohren. Er hatte schon 1676. auf seiner Rückreise von Cleve selbst zu Cassel die Anwerbung um sie gethan, und das Jawort erhalten; wegen des damahligen Krieges aber und der Feldzüge, die er allemahl selbst mit seinem Herrn Vater that, verzog sich die Heimführung und das Beylager biß 1679. da es zu Potsdam im Junio vollzogen ward.


4 Orpheus, ihr Ehgemahl, war so betrübt über derselben frühzeitigen Verlust, daß er sich in den Abgrund wagte, und durch sein klägliches Singen den Höllen-Gott dermassen bewegte, daß er ihm, dieselbe wieder mit sich zu nehmen, erlaubte.


5 War Printzeßin Louisa Dorothea Sophia, damahls noch nicht 3. Jahr alt, und diejenige, welche nachmahls an Se. ietztregierende Königl. Maj. in Schweden, als Erb-Printzen von Cassel im Jahr 1700. vermählet worden, aber fünff Jahr hernach, ohne Leibes-Erben verstorben; worüber damahls der Herr geheimde Rath von Besser die schöne Trost-Ode an ihren Herrn Vater, den damahligen König von Preussen geschrieben, welche am 165. Bl. seiner Gedichte zu finden.


6 Sie war 1661. gebohren, und Sr. Durchl. des noch ietztlebenden Herrn Landgrafens von Hessen-Cassel, wie auch der Frau Mutter Sr. Königlichen Majestät in Dännemarck Friedrich des vierten Schwester, und kaum 2. Jahr alt, als sie auch schon, in so zarter Kindheit, ihren Herrn Vater verlohren.


7 Ihre Frau Mutter, mit welcher sie Wilhelm der vierte, Landgraf von Hessen-Cassel erzeugt hatte, war ein Muster einer vollko ienen, Gottsfürchtigen und tugendsamen Fürstin uñ eine Tochter George Wilhelms, Churfürstens von Brandenburg. Sie starb 14. Tage vor dieser ihrer Tochter, nemlich den 13. Jun. 1683. als Wittwe, in ihrem sechzigsten Jahre, auf dem Schlosse Wilhelmsburg zu Schmalkalden.


8 Weil nemlich ihre Frau Mutter eine Printzeßin aus dem Chur-Hause Brandenburg gewesen.


9 Sie war eine Printzeßin von ausnehmender Frömmigkeit, Tugend und Leutseligkeit, besaß auch viele fremde Sprachen und andere Weltgeschicklichkeiten. Sie starb den 27. Junii, und ward von den zwo geschicktesten Federn des damahligen Berlinischen Hofes, nehmlich dem Herrn von Canitz in dieser ungebundenen, und von dem Herrn von Besser in einer gebundenen Rede beklagt, die in seinen Gedichten auf dem 158. Bl. zu lesen.


10 Diese Fürstin, Christina von Bourbon, eine Tochter König Heinrichs des Vierten in Franckreich, hatte zu ihrem Sinn-Bilde einen Demant erwehlt, mit der Uberschrifft: Più di sodezza, che di splendore.


11 Sie kam mit demselben von dem damahligen Chur-Printzl. Lust-Schlosse Köpenick, den 20. Junii zurück, wurde dieselbe Nacht kranck in Berlin, und als den dritten Tag die Blattern sich zeigten, ihr Gemahl aber dieselben noch nicht gehabt hatte; war sie die erste, und auch die eintzige, welche ihn, nach langer Verweigerung, dahin bereden können, daß er sich, von Ihr, wieder nach Köpenick begab, und sich also, bey ihrem Absterben, nicht zugegen befand.


12 Sie hatte schon, ehe sie unpaß ward, sich einige Zeit her, ihren nahen Tod vorgestellt, und als in ihrer Kranckheit, die Trauer-Post von ihrer Frau Mutter Absterben kam, sagte sie ohne Bestürtzung: Ich werde bald bey ihr seyn. Gesegnete auch, von Stund an, ihre eintzige hinterlassene junge Printzeßin, und empfahl solche, auf das nachdrücklichste der Liebe ihres Gemahls zu einer sorgfältigen Erziehung.


13 Zween Tage, nach ihrem Tode, den 29. Jun. ward die Seeligverstorbene, in aller Stille, durch die Chur-Fürstl. Gallerien getragen, und in der Dom-Kirche in der Chur-Fürstl. Capelle so lange beygesetzt, biß den 7. November die öffentliche Leich-Begängniß, mit grossem Gepränge, vor sich gieng, und man die Leiche in die Chur-Fürstl. Grufft einsenckte. Doch ward dabey weder diese, noch eine andere öffentliche Stand-Rede gehalten, ob gleich gegenwärtige vielleicht dazu bestimmt gewesen; wegen gewisser damahligen Umstände aber hernach zurück behalten, und dem Durchlauchtigen Wittwer, bey welchem der Verfasser schon zu der Zeit in besondern Gnaden stand, nur schrifftlich übergeben worden.[349]

Quelle:
Friedrich Rudolph Ludwig von Canitz, Kritische Ausgabe: Gedichte, Tübingen 1982, S. 340-350.
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