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[155] Vers 14787–14828.
Wie toll schwur unser Wirth in seiner Wuth:
»Holloh!« – rief er – »bei Nägeln und bei Blut!
Das war ein falscher Kerl, ein falscher Richter;
Verkommen möge dieses Rechtsgelichter
Und Advokatenpack in Schmach und Noth!
Indeß, was hilft's? – Die gute Maid ist todt!
Ach, theuer kam die Schönheit ihr zu stehen!
Ich sage drum: man kann es täglich sehen,
Was uns geschenkt das Glück hat und Natur,
Gereicht zum Tod uns allzuhäufig nur!
Ihr Tod war ihre Schönheit, darf ich sagen.
O, weh! wie elend wurde sie erschlagen!
Wie oft doch Menschen von den beiden Gaben,
Die ich genannt, mehr Harm als Nutzen haben!
Doch, theurer Meister! eins kann ich beschwören,
Dein Sachbericht war traurig anzuhören.
Indessen, was vorüber ist, laßt fahren!
Gott möge Deinen edlen Leib bewahren,
Sowie Dein Harnglas und Latwergenfaß,
Deine Galienen, Deinen Ypokras[156]
Und Deine Nachtgeschirre. – Segne sie
Der Herrgott und die heilige Marie!
Denn – bei St. Ronian! – Du bist in der That
Ein wack'rer Mann und ganz wie ein Prälat!
Sprach ich nicht gut? – Ich bin nicht phrasenreich;
Jedoch ich weiß, Du hast mein Herz so weich
Und trüb gestimmt, daß mir ein Brustkrampf droht.
Beim Corpus Christi! mir thut Theriak Noth!
Doch hilft ein Trunk von gutgemalztem Bier,
Ein lust'ger Schwank vielleicht noch besser mir!
Das Mädchen macht mein Herz so mitleidsschwer.
Du, Ablaßkrämer, bel ami!« – rief er –
»Mit einem lust'gen Spaß bedien' uns nun!«
»Beim heil'gen Ronian! gerne will ich's thun!
Doch einen Bierkranz« – sprach er – »seh' ich winken;
Da muß zuvor ich Kuchen kau'n und trinken!«
Die feinern Herr'n begannen gleich zu schrei'n:
»Nein, unterlassen soll er Zoterei'n!
Erzählst Du uns, was bessert und belehrt
Und witzig ist, sei Dir Gehör gewährt.«
»So sei's!« – sprach er – »auf etwas, das sich paßt,
Besinn' ich mich, wenn ihr mich trinken laßt!«
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Canterbury-Erzählungen
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