[49] O lacht nicht
Und zürnt nicht ...
Ich stürzte mich gern
In das rauschende Leben,
Ich möchte ja gern
Den Becher erheben,
Den schäumenden Becher
Der Daseinslust.
Ich möchte sprechen
In Euren Sprachen,
Ihr frohen Zecher;
Aus tiefer Brust
Nur einmal lachen,
So lachen wie Ihr ...
Wie Ihr möcht ich brechen
Der Trauer Schranken
Und in ein Vergessen
Hinüberschwanken ...[50]
Ich möchte gedankenlos-klein
Nach allem Nichtigen fassen,
Das Unbedeutende preisen,
Das Große unbewußt hassen –
Wie Ihr seid, möcht ich sein.
Doch was ich hörte
Und was ich schaute,
Es macht mich einsam,
Mein Geist, der bethörte
Hat nicht die Laute
Des Schmerzes gemeinsam
Mit gleichen Creaturen.
Und darum fürchte ich Alle,
Es gähnt mich drohend an
Die feindliche Schaalheit
Der fremden Naturen,
Daß ich nicht glauben kann,
Ich zähle zu ihrer Allheit ...
Aus Euren Bahnen
Hinausgedrängt,
In Wissen und Ahnen
Begrenzt und beengt,
Im innersten Wesen
Zerrissen ... Allein!
Und kein Genesen
Von dieser Pein.
[51]
Immer – immer – immer
Mitschleppen die Begrenzung,
Den Leib, den eignen Widerpart!
Wo bleibt die Ergänzung?
Wo bleibt die Hand,
Die wegfegt alle Mängel
Und alle Halbheit einigt?
Die jenes Wesen, das stets
Thier und Engel,
Zum Menschenbilde reinigt?
Kann Herz und Hirn
Nicht tröstend Antwort geben?
Nicht das Gestirn,
Das gebärende Leben?!
. . . . . . . . . . .
Nein! Vertilgt ist jenes Schrittes Spur,
Die von dem Aether führt zum Staube,
Des Suchens Thorheit blieb mir nur:
Unwissenheit! ... Kinderglaube ...
Oder trostlose Einsamkeit.
Einsamkeit ohne Vergessenheit!
Ein hülfloser Schrei
Ins Leere ... ohne Erhörung,
Oder ein jäher Blitz:
Vernichtung ... Zerstörung![52]
Vernichtung! Zerstörung!
Das alte Erlösungswort,
Es klingt voll süßer Bethörung
Durch alles Elend fort ...
Wer aber weiß, wie viel dann untergeht,
Ob in Atomen tausendfach zersplittert
Nicht etwas Körperloses fortbesteht,
In dem das Lebenselend dennoch zittert?
Wo sind sie Alle jene Zwitterwesen,
Die leidensmüde riefen solche Klagen?
Auf welchem Stern vermochten sie zu lesen
Die dürre Antwort ihrer tollen Fragen?
Wenn ihnen die Vernichtung nur allein
Des Daseinsräthsels Lösung konnte sagen –
Was frommt es uns? ... Der kalte Leichenstein
Er kündet Wahnsinn – oder feiges Zagen.
– – – – – –
O lacht nicht
Und zürnt nicht;
Ich stürzte mich gern
In das rauschende Leben,
Ich möchte ja gern
Den Becher erheben,
Den schäumenden Becher
Der Lebenslust.[53]
Doch ich fürchte sie Alle
Die frohen Zecher,
Denn in meiner Brust
Ringt Tod und Leben ...
Ich bin allein![54]
Ausgewählte Ausgaben von
Aus der Tiefe
|
Buchempfehlung
Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht
282 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro