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[158] Was für Unmut, Pein und Sorg
Hat dich, Preussen, itzt umbgeben?
Schaw, dein Fürsten-Bild Georg
Wilhelm lässet dieses Leben:
Ach, dein Hertzog, Haupt und Liecht
Denckt nun an dich ewig nicht!
Recht, Begnügung, Fried und Lust,
Leget in den Staub euch nieder!
Thut euch weh, zerreisst die Brust,
Raufft das Haar, entblöst die Glieder!
Jedes fülle, wie es kan,
Mit Geschrey den Himmel an!
[159]
Des entseelten Fürsten Rhue
Lässt sich euch zum Beyspiel hören:
Seht nur, seht Charlotten zu!
Sie kan recht euch klagen lehren,
Wil auch, durch nicht schlechte Pein,
Fürstin der Betrübten seyn.
Kummer, Einsamkeit und Noht
Haben bey Ihr Platz gewonnen,
Umb Sie herbergt lauter Todt,
Sie entsagt fast Mond und Sonnen,
Spricht: was hab ich ihr Gewinn?
Meines Hertzens Sonn' ist hin.
Darumb deckt Sie umb Sich her
Dunckel, Grawen, Ungehewer,
Liebt zu Zeiten ohngefehr
Kaum ein kleines Schorstein-Fewer,
Sagt: die Lebens-Funck in mir
Rührt, mein Herr, noch auch von Dir.
Sie bezeuget Erd und See,
Lufft und Himmel aller Enden,
Daß Ihr Leid und Seelen-Weh
Sich nicht könne lassen wenden,
Biß Sie sey von aller Krafft
Und zu Ihm werd hingerafft.
Folgt mit häßlichem Geschrey!
Heulet, daß das Reich der Sternen
Uber euch bestürtzet sey!
Merckt das Leid recht zu erlernen,
Was die Heldin thut und sagt:
Unser Fürst ist, den Ihr klagt!
Er war uns in Sicherheit
Zu verwahren unverdroßen,
Hat verhütet Müh und Streit,
Nie der Unschuld Blut vergossen,
Er war Ursach, wie Ihr wisst,
Daß noch Preussen Preussen ist.
Nun scheint alles dieß mit Ihm,
Unserm Vater, zu erliegen,
Schlagt die Brust mit Ungestüm!
So recht, auch das Haar lasst fliegen,
Geht aus Unmuth und Beschwer
Todten-Schatten gleich einher!
Herr, wir thun uns nicht zu viel,
Welcher den Fug hat zu klagen
Dem wird fast sein Leid ein Spiel,
Kan es nicht ohn Vortheil tragen.
Dein Verlust erheischt doch mehr,
Kränckte man sich noch so sehr.
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