Fahr fort, O Künstler, als du thust,
Und streich die Geige deine Lust,
Laß hören alle Liebligkeiten,
Mein Hertz im Leibe hüpfft und singt
So wie dein schneller Bogen springt
In dem er blitzet auff den Seiten.
Jetzt fährst du längsam vnd gelind
Gleich wie ein Schiff mit sanfftem Wind
Herauff kömpt in dem stillen Pregel,
Jetzt führest du geschwindern Zug,
Jetzt einen Adler-schnellen Flug
Gleich wie ein Ostwind-volles Segel.
Du hast mein Hertz in deiner Macht,
Ich lache wird von dir gelacht,
Vnd klage hebst du an zu klagen,
Du brauchst zu wunderliche Zier,
Ich warlich weis nicht was ich schier
Sol von den süssen Strichen sagen.
Das Holtz, das Schaf-gedärm, das Har
So vor der kühnen Rosse war
Kan das die Anmuht von sich geben?
Sag ist er menschlich dein Gesang,
Und rührt der angenehme Klang
Zu uns herab aus jenem Leben?
[117]
Nun laß erschallen Berg und Thal
Durch das Geschrey der Nachtigall,
Sie wird sich, hört sie dich, verkriechen,
Ich laß' Amphions Künste seyn,
Du hättest besser Holtz und Stein
Beseelt, wenn du nur angestrichen.
Nicht Orpheus, du du hättest vor
Ertheilt den Felsen Sinn und Ohr
Vnd dir zu folgen sie bewogen,
Du hättest Brunnen, Wild und Wald
Vnd Ströme durch geschwinden halt
Und ungesäumt dir nachgezogen.
Sonst prangt mit Noah Engelland,
Mit Constantin der Seynen Rand,
Von Schopen hab' ich viel vernommen,
Sind Bonamente Bertaly
Mehr Fockart, Allegrand allhie
Mir jemals zu Gesichte kommen?
Drümb stell' ich auch mein Vrtheil ein.
Wo aber sie noch besser seyn,
Wie hoch doch wird die Kunst dann steigen?
Vor diesem trieb ich auch dieß Spil,
Nun hör' ich dich und schweige still,
Vnd werde nie für dir mehr geigen.
Doch spieltest du auch noch so schön
So wirst du durch dein Leid-Gethön
Der Menschen Noht nicht gnug beweinen,
Bedenck ich sie, wird Spiel und Schertz
Mir stracks ein Eckel, und mein Hertz
Ist bey den Seiten wie aus Steinen.
Die schnöde Lust der Welt ist Dunst,
Vnd schwinget so wie deine Kunst
Nimmst du die Hand nur von der Seiten,
Kein Ding kan in die Länge stehn,
Gewalt und Herligheit vergehn
Durch den geschwinden Lauff der Zeiten.
Wie offt ich dieses auch beklagt,
Noch dennoch, alsobald es tagt,
So steigt mir newe Noht zu Ohren:
Ich hör' es offt mit Thränen an,
Die hat jhr Kind, die jhren Mann
Vnd der sein liebstes Hertz verlohren.
Ich schreibe von des Todes Macht
Schier alle Stunde Tag und Nacht,
Mein Reim-Brunn wil mir nicht mehr taugen,
Die Adern sind fast alle leer,
Die Hände werden mir zu schwer,
Kein Thrän ist mehr in meinen Augen.
Da Noht und Tod doch nie gebricht,
Ach daß, Herr Schlieben, mein Geticht
Auch ewer Hauß jetzt muß berühren.
Da alles sich verhüllt in Pein,
Gerdawen geht betrübt herein,
Vnd Wandlack muß nur Klage führen.
Sie ewres Hertzens Liecht vnd Krohn'
Vnd ewrer strengen Tugend Lohn
Wird jetzt, o Jammer! hin getragen,
Nicht durch ein hohes Alter mat,
Vnd dieses eiteln Lebens sat,
Ach nein in ihren besten Tagen.
[118]
Was hat der Edlen doch gefehlt?
Was war vmb sie nicht ausserwehlt?
Gebrach es jhr an thewren Ahnen,
War jhres edlen Stammes Pracht
Nicht was der Mond' vmb helle Nacht?
Vnd zeigt jhr Hauß nicht Schild noch Fahnen?
Fehlt' jhr ein Tugendhaffter Muht,
Glück, Ehre, Lust, Gestalt vnd Gut
Daher sie hätt' jhr Hertz gefressen?
Nein, Gut, Geburt, Verstand vnd Stand
Vnd alles war mit reicher Hand
Ihr von dem Himmel zugemessen.
Vnd, Herr, insonderheit wart ihr
Ihr Hertz und aller Gnüge Zier,
Gleich wie ihr Sie geliebt habt wieder,
Wohnt' irgends Glück so wohnt es hie,
Sie liebet' euch, ihr liebtet sie,
Vnd dennoch fiel sie euch danieder.
Das macht der Dinge Flucht und Fall
Der bey den Menschen überall
Am allermeisten Platz gewonnen.
Seit daß sich Adam abgewand,
Herrscht Unglück, Tod und Vnbestand
Wo man erkennt das Liecht der Sonnen.
Drümb thut mit klagen, Herr, gemach
Vnd denckt dem Wort des Herren nach,
Daraus ihr den Bericht könnt werben,
Daß nur der Leib sich Grabwerts kehrt,
Und derer Geist gen Himmel fährt
Die selig und im Herren sterben.
Von ewrer Kreitzinn senckt ihr ein
Nur ihren Leib und ihr Gebein,
Ihr bestes fleucht die Grabes-Höle
Vnd schwebet bey der Frommen Schaar,
Sie ist ohn Schmertzen immerdar
Was anlangt ihre liebe Seele.
Sol dieser Geist der Tugend Sal,
Der sich so embsig Gott befahl
Der keinem Leibe sich ergeben,
Der auff der krancken Lagerstat
Gott trewlich außgehalten hat,
Nicht übrig seyn nach diesem Leben?
Der Aertzte Fleiß und Raht war aus,
Es hieß mit ihr: Beschick dein Hauß,
Der Tod rafft jetz und dich von hinnen,
Erbebte sie aus Kleinmuht? nein,
Sie gab gedultig sich darein
Starck an des wahren Glaubens Sinnen.
Des Herren Leib und theures Blut
Ward ihrer Heimfahrt edles Gut,
Sie hat des höchsten Hut befohlen
Euch und die edlen Kinder auch,
Vnd fuhr dahin nach Schlaffes brauch
Vnd lies sich in den Himmel holen.
Da wohnt sie ihrem Hause bey
Vnd hört der Engel Melodey,
Den Herren ewig nicht verschweigen,
Dafür die Lieder Schatten sind
Die vnser höchster Fleiß beginnt
Wie schön wir singen oder geigen.
Hie ist das Reich der Eitelkeit,
Hie herschen Unfall, Glück und Zeit,
Dort ist Bestand und Rhu zu finden:
Die sol nach diesem kurtzen Lauff,
Gott nehm' uns nur in Frieden auff,
Vns Ihr in Ewigkeit verbinden.
Buchempfehlung
Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.
640 Seiten, 29.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro