Traur- und Ehrengedächtniß

Jetzt streichet, dünckt mich, eben

Vorbey ein halbes Jahr,

Da ich mit meinem Leben

Zu Widderawen war.

Was Freud' ich da empfunden,

Wie dessen Orthes Lust

Mich aller Müh entbunden

Das ist mir gnug bewust.


Hie waren Püsch' und Awen,

Und hie ein BaumGezelt,

Da Berg' und Thal zu schawen,

Da wieder freyes Feld.

Es schwommen in dem Teiche

Dort Gäns' und Enten hie,

Vnd hinter dem Gesträuche

Gieng klein und grosses Vieh.


Lass' ich den Garten bleiben

Mit seiner Pracht und Zier?

Ich kan ihn nicht beschreiben,

Die Kräffte fehlen mir.

Er führt von allen Seiten

Die Gnüge die man weiß,

Natura scheint zu streiten

Hie mit Verstand und Fleiß.


Wie frey sind seine Gänge,

Kein Zweiglein rührt dich an,

Wie weit ist ihre Länge?

Die man nicht absehn kan.

Von den bekolbten Wänden

Ward Zweiffel eingebracht

Ob dieß von Menschen-Händen

Auch könte seyn gemacht.
[172]

Als ich kam zu den Blumen

Durch ein gantz-grünes Thor,

Kam mir die Lust Idumen

Im Hertzen heimlich vor.

Die Bäume sah' ich ragen

Und sprach: was schöne Frucht

Mögt ihr dem Herren tragen

Zum Danck für seine Zucht!


Herr Eppinger, es rühre

Kein Leid dein edles Hauß,

Was du bedenckst, das führe

Dein Wunsch auch stattlich aus.

Für diese Gnüg und Frewde,

Sie macht mich überreich

Vnd ist woran ich weide

Gesicht und Hertz zugleich.


Wolan ich wil ihr lohnen

Dieß was sie mir erzeigt,

Doch nicht mit tausent Cronen,

Nein, was sich hie eräugt

Wird mit der Zeit verschwinden,

(Denn was muß nicht vergehn?)

Doch wird man es noch finden

In diesem Liede stehn.


Was habt denn ihr empfunden

Daselbst für Lust und Ruh,

Herr Berents? tieffe Wunden

Vnd tausend Leid dazu.

Ihr wart dahin entwichen

Hie zu entgehn der Noht

Die mercklich kam geschlichen

Vnd schlug uns häuffig tod.


An stat der süssen Freuden

Stellt' euch sich häuffig ein

Bekümmerniß und Leiden

Vnd hieß euch willkomm seyn.

Stracks in den ersten Tagen

Misst ewre liebste Krafft,

Sie muß das Fieber klagen

Vnd wird euch Lagerhafft.


Wenn zu geparten Hertzen

Die ware Liebe tritt,

Hat schon das eine Schmertzen

Das andre fühlt sie mit,

Alsdann ist nichts auff Erden

Was diesem lieb seyn kan,

Das schönste so kan werden

Es hat dar-grewel-an.


Wie liefft ihr auff und nieder

Nach Rettung und nach Raht,

Wie fuhrt ihr hin und wieder!

Was schickt' euch nicht die Stadt!

Wornach sie trug Verlangen

Must alsobald ergehn,

Was euch darauff gegangen

Mögt ihr nicht eins gestehn.


Der Lust hie abzuwarten

Daran ward nicht gedacht,

Ihr wohntet in dem Garten

Vnd schlugt ihn aus der acht.

Was Gnüge kan erwecken

Sein unerschöpfftes Gut

Daß war euch Dorn und Hecken

Sein kühler Schatten Glut.


Vnd daß er euch zu Zeiten

Vieleicht gesehen hat

War daß ihr fern von Leuten

Da flehtet Gott umb Raht.

Da er dann ewre Plage

Ohn Kummer nicht erkant

Vnd von der bittern Klage

Die Ohren abgewandt.


Sie selbst sah' ihre Schmertzen,

Wie schwach sie war, nicht an,

Dieß was ihr gieng zu Hertzen

War bloß ihr trewer Mann.

Der Himmel war für allen

Was ihr im Hertzen schwebt',

Hett aber zu gefallen

Euch gern noch was gelebt.
[173]

Vmbsonst, die Kräffte sincken,

Nichts hilfft der Aertzte Fleiß,

Gott scheinet ihr zu wincken,

Sie hört auch sein Geheiß,

Vnd hat das Mahl empfangen

Die wahre Seelen-Stärck'.

Jedoch trug sie Verlangen

Hieher nach Königsberg.


Sie baht es nicht zu schweigen

Was jhr bey Ihr gethan.

Vnd deß nahm sie zu Zeugen

Dort nicht nur einen an.

Hat jhre lieben Kinder

Vnd was nach Pflege schawt

Ihr Hauß und euch nicht minder

Gott' hertzlich anvertrawt.


Vnd einer selign Stunden

Gewartet mit Begier,

Die sich auch bald gefunden

In jhrem Hauß alhier,

Vnd jhren Geist versetzet

In Christus ewigs Reich,

Wo sie sich nun ergetzet

Den Engeln Gottes gleich.


Flieht jhr euch mehr zu kräncken,

Die Selig' heisst euch nicht

Gar in den Tod euch sencken,

Man rühmt gnug eure Pflicht,

Sich gar zu sehr betrüben

Führt offt auch Heuchel-Schein,

Lasst, wollt jhr noch was üben,

Ihr Lob euch heilig seyn.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 4, Halle a.d.S. 1938, S. 154-155,172-174.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Die Familie Selicke

Die Familie Selicke

Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon