|
[79] So gäntzlich ist auff nichts allhie zu bawen,
Kein Glück übt stete Trew,
Ob Frewde sich noch eins so groß läst schawen,
Daß sie vollkommen sey;
Wer wil mag vmb sie schweben,
Ich traw' jhr nimmermehr,
Wil bloß mich Gott ergeben,
Sie treuget gar zu sehr.
O grosser Gott, wie hab ich überschlagen
Die Welt so offt vnd viel?
Ich nehme für die Kron' vnd Scepter tragen
Vnd forsch' ohn' End vnd Ziel,
Ob hie nicht sey zu finden
Worauff ich fussen kan;
Sie vnd jhr Pracht muß schwinden
Wie sonst ein BawersMann.
Die Sonne, selbst die Fackel dieser Erden,
Scheint täglich außzugehn,
Was vormals ward, wird vnd hernach kan werden,
Bleibt nicht die Länge stehn.
Worauff ich noch kan kommen
In Forschung, Gott, bist du,
Du bist das Gut der Frommen
Vnd vnsre wahre Ruh.
Ihr mercket wol, Herr Scharff, was ich wil sprechen,
Wohin jhr euch gewandt,
Da sahet jhr euch nichts an Lust gebrechen,
Weil Gott mit reicher Hand
Das alles euch gewehret,
Warumb ein Mensch sich frisst,
Vnd was ein Hertz begehret
Das zu vergnügen ist.
[79]
Der Liebsten nur jn etwas zu gedencken
Wo jhr mich lassen wollt,
Sie kunt' euch mehr als Fürsten-Güter schencken,
Sie war euch alles Gold.
Möcht' euch Geschlecht anlachen?
Wer gieng jhr hie groß vor?
Des besten Glückes Sachen?
Die huben sie empor.
Des Leibes Pracht? wer sah' an jhr wol Tadel?
Der güldnen Tugend Zier,
Der Vnschuld Lob, der Menschen bester Adel?
Das war vorauß bey jhr,
Warumb sie außerlesen.
Was aber für Gewinn
Ist sie euch lang gewesen?
Man trägt sie schon dahin.
Ihr weinet recht: Wen das nicht wolt erbarmen
Der wär ein Stock vnd Bley.
Ihr werdet sie hinfort nicht mehr vmbarmen
In höchster Lieb' vnd Trew',
Ach was jhr vor erkohren,
Kan jetzt nicht tauglich seyn,
Dieweil jhr habt verlohren
Sie, ewers Glückes Schein.
So gehet es mit diesen eiteln Sachen,
Diß ist der Welt Gemerck.
Wer höret je sie etwas anders machen
Als diß jhr altes Werck?
Das Wesen dieses Lebens
Findt in sich keine statt,
Man sucht darin vergebens
Das, was es selbst nicht hat.
Darumb hinauff, Herr Scharff, mit ewrem Hertzen,
Wo ewre Liebste schwebt,
Da schüttet auß die Anzahl ewrer Schmertzen,
Für dem er ewig lebt,
Wo vnsre Seufftzer siegen
Im Glauben vnd Gebeht',
Hier ist kein Trost zu kriegen,
Wie sehr jhr sucht vnd fleht.
Lasst da hinauff die Seele stets gedeyen
In Noht vnd Trawrigheit,
Gott kan vnd wird euch ewer Hertz erfrewen,
Wie schwer auch ist die Zeit,
Käm' auff vns zugedrungen
Der Hellen gantzes Reich,
Wer sich in Gott geschwungen
Hat Schutz vnd Sieg zugleich.
Das trautste Kind wird zwar entrathen müssen
Die Mütterliche Brust,
Lässt sich von jhr noch hertzen weder küssen
In vnerschöpffter Lust,
Lacht, wenn es hat gesogen,
So bald es künfftig kan
An Mutter statt betrogen
Weit andre freundlich an.
Nun kan es nicht die Zucht in jhren Augen,
Der edlen Sitten Zier,
Den Tugend-Sinn auß jhren Brüsten saugen,
Kennt nimmer was von jhr,
Lässt andre sich bedeuten,
So bald es kan geschehn,
Wie doch bey Lebens-Zeiten
Die Mutter außgesehn.
[80]
Gott aber wird schon jhre Stell' ersetzen
Vnd jhm für Mutter seyn.
Es ist hierinn glückselig noch zu schätzen,
Dieweil es dieser Pein
Hat weder Leyd noch grämen,
Vnd kan der Sorgen frey
Es nicht zu Hertzen nehmen,
Wie jhm geschehen sey.
Buchempfehlung
Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.
70 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro