Vber Herren Johannis Härtleins Absterben

[477] Strophe. 1.


O Du newer Himmels Gast

Der du bist versetzet worden

In der Tausent Heilgen Orden

Seit du abgeleget hast

Deines Leibes schwache Glieder,

Seit du vns hie deine Brüder

Lessest tragen Leid vnd Pein

Einig nur von wegen dein,

Nimb doch an von mir die Thränen

Durch das Zeugnus meiner Hand

Alß der trewen Sinnen Pfand

Die sich immer nach dir sehnen,

Laß nur, O du newes Liecht,

Deinen Schatten vmb mich schweben,

Wo dein' Ewigkeit dich nicht

Her lest schaden in dies Leben.


Antistr. 1.


Könte nur mein schweres Leid

Mir ein zierlich Lied vergönnen,

Möcht' ich recht beschreiben können

Deine hohe Zierligkeit,

Lufft vnd Himmel solten hören

Was ich dir zu deinen Ehren

Hett' ertichtet, deine Zier

Hat gegläntzt vns andern für,

Wie die Palmen auffrecht stehen,

Wie der Rosen edler Schein

Lesst die Myrten schamrot seyn,

Wie der Mond pflegt auff zu gehen,

Deiner Rede Zier vnd Macht

Vnd der anmuth deiner Sitten,

Deine Höflichkeit vnd Pracht

Haben bey dir wie gestritten.


Epod. 1.


Die Jugend, welche du so trewlich hast gelehret

Mit Sanfftmuth, die beweinet dich,

Es kräncken deinetwegen sich

Bey denen nur noch Tugend wird geehret,

Was mich hierinn belangt, ich bin nicht mehr bey mir,

Kan gantz mich nicht zu frieden geben,

Denck' offt in Einsamkeit zu leben,

Es kömpt dein Schatten Tag vnd Nacht mir für.

Offt wil ich zu dir kommen,

Dieweil mir stets entfellt,

Daß dich der Todt genommen

Hat in sein schwartz Gezelt.


Strophe. 2.


Were so nur mein Gesang

Wie des Thracischen Poeten;

Rahten wolt' ich meinen Nöhten,

Vnd, wie er den Todt bezwang,

Also wolt' ich durch mein singen

Dich ins Leben wieder bringen,

Durch des strengen Charons Fluß

Oder durch den Tenarus[477]

Wolt' ich vngeschewt mich finden,

Würd ich durch des Todes Macht

Gleich darüber hingebracht

Vnd behalten in den Gründen,

Weil ich ohne dessen kaum

Leb' vnd mit dir, so zu sagen,

Bin ein Schatten vnd ein Trawm

Vnd zu Grabe hin getragen.


Antistr. 2


Wvnsche was zu wünschen steht,

Die so einmahl schon ableiben,

Werden wol dahinten bleiben,

Keines jhr zurücke geht,

Was man diesfals pflegt zu schwatzen

Von Euridicen sind fratzen,

Singet gleich die Nachtigal

Daß es schallet vberal,

Rufft dem Lentzen noch so helle,

Bleibt er doch, vnd ist dahin,

Weiß nichts vom zurücke ziehn,

Gönnt dem Sommer raum vnd stelle,

Kan der Tag der gestern war

Wieder kehren auff dein flehen?

Wirst du auff das andre Jahr

Diesen Schnee auch wieder sehen?


Epod. 2.


Wie ist es doch mit vns und allen vnsern Sachen

Allhie so gäntzlich nichts bewand!

Was hat wol vberal bestand

Davon wir sonst vns grosse Hoffnung machen?

Indem daß mancher erst zu leben recht beginnt,

Eh' alß er sein recht kan geniessen,

So wird er eilends fort gerissen

Durch die so vns des Lebens Faden spinnt.

Wem ist wol nach gegeben

Zu wissen, daß er mag

Gewißlich noch erleben

Auch nur den nechsten Tag?


Strophe. 3.


Hilfft nun was durch Schnee vnd Eiß

In der weiten Welt vmbziehen,

Sich nach Geld' vnd Ehre mühen,

Stets ertragen Staub vnd Schweiß,

Helffen was der Schönheit Sachen,

Vnd bey Büchern sich verwachen,

Durch Geschickligkeit vnd Kunst

Stehn nach grosser Leute Gunst,

Wenn wir in der besten Blüthe

Also werden fort gerafft,

Bleiben ohne Geist und Krafft

Außgenommen das Gemüthe,

Das von vns noch vbrig bleibt

Wenn der Cörper gantz erstarret

Wird der Erden einverleibt

Vnd tieff in den Sand verscharret.


Antistr. 3.


Doch stirbt auch die Tugend nicht

Welcher Lob dann angereget

Sich recht erst zu stärcken pfleget,

Vnd der trewen Freundschafft Liecht

Wird dann erstlich recht erhaben

Wann wir liegen tieff begraben,

Dann dann fellt vns erstlich ein

Wer recht trewe pflag zu seyn;

Darumb solt auch du nun werden,

Liebste Seel', in mir erhöht

Wo die rothe Sonne geht

Vnd der Mond mit seinen Pferden,

Wo nur diese meine Hand

Wird nach meinem Tode bleiben,

Wird dein Nahm' auch sein bekandt

Vnd in Ewigkeit bekleiben.


[478] Epod. 3.


Die Erde müsse dir die Glieder nicht beschweren,

Kein Nordenwind, kein Wasser nicht,

Kein Mond, vnd keiner Sonnen Liecht

Die wollen deine Ruhe dir gefähren,

Es lasse Flora dich mit Blumen bester Art

Begabet seyn, die Nymphen müssen

Dir jmmer sitzen zu den Füssen,

Damit dein Leichnam werde recht bewahrt,

So offt ich werde gehen

Bey deinem Grab' allhier,

So wil ich stille stehen

Vnd seufftzen stets nach dir.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 4, Halle a.d.S. 1938, S. 477-479.
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