|
[477] Strophe. 1.
O Du newer Himmels Gast
Der du bist versetzet worden
In der Tausent Heilgen Orden
Seit du abgeleget hast
Deines Leibes schwache Glieder,
Seit du vns hie deine Brüder
Lessest tragen Leid vnd Pein
Einig nur von wegen dein,
Nimb doch an von mir die Thränen
Durch das Zeugnus meiner Hand
Alß der trewen Sinnen Pfand
Die sich immer nach dir sehnen,
Laß nur, O du newes Liecht,
Deinen Schatten vmb mich schweben,
Wo dein' Ewigkeit dich nicht
Her lest schaden in dies Leben.
Antistr. 1.
Könte nur mein schweres Leid
Mir ein zierlich Lied vergönnen,
Möcht' ich recht beschreiben können
Deine hohe Zierligkeit,
Lufft vnd Himmel solten hören
Was ich dir zu deinen Ehren
Hett' ertichtet, deine Zier
Hat gegläntzt vns andern für,
Wie die Palmen auffrecht stehen,
Wie der Rosen edler Schein
Lesst die Myrten schamrot seyn,
Wie der Mond pflegt auff zu gehen,
Deiner Rede Zier vnd Macht
Vnd der anmuth deiner Sitten,
Deine Höflichkeit vnd Pracht
Haben bey dir wie gestritten.
Epod. 1.
Die Jugend, welche du so trewlich hast gelehret
Mit Sanfftmuth, die beweinet dich,
Es kräncken deinetwegen sich
Bey denen nur noch Tugend wird geehret,
Was mich hierinn belangt, ich bin nicht mehr bey mir,
Kan gantz mich nicht zu frieden geben,
Denck' offt in Einsamkeit zu leben,
Es kömpt dein Schatten Tag vnd Nacht mir für.
Offt wil ich zu dir kommen,
Dieweil mir stets entfellt,
Daß dich der Todt genommen
Hat in sein schwartz Gezelt.
Strophe. 2.
Were so nur mein Gesang
Wie des Thracischen Poeten;
Rahten wolt' ich meinen Nöhten,
Vnd, wie er den Todt bezwang,
Also wolt' ich durch mein singen
Dich ins Leben wieder bringen,
Durch des strengen Charons Fluß
Oder durch den Tenarus[477]
Wolt' ich vngeschewt mich finden,
Würd ich durch des Todes Macht
Gleich darüber hingebracht
Vnd behalten in den Gründen,
Weil ich ohne dessen kaum
Leb' vnd mit dir, so zu sagen,
Bin ein Schatten vnd ein Trawm
Vnd zu Grabe hin getragen.
Antistr. 2
Wvnsche was zu wünschen steht,
Die so einmahl schon ableiben,
Werden wol dahinten bleiben,
Keines jhr zurücke geht,
Was man diesfals pflegt zu schwatzen
Von Euridicen sind fratzen,
Singet gleich die Nachtigal
Daß es schallet vberal,
Rufft dem Lentzen noch so helle,
Bleibt er doch, vnd ist dahin,
Weiß nichts vom zurücke ziehn,
Gönnt dem Sommer raum vnd stelle,
Kan der Tag der gestern war
Wieder kehren auff dein flehen?
Wirst du auff das andre Jahr
Diesen Schnee auch wieder sehen?
Epod. 2.
Wie ist es doch mit vns und allen vnsern Sachen
Allhie so gäntzlich nichts bewand!
Was hat wol vberal bestand
Davon wir sonst vns grosse Hoffnung machen?
Indem daß mancher erst zu leben recht beginnt,
Eh' alß er sein recht kan geniessen,
So wird er eilends fort gerissen
Durch die so vns des Lebens Faden spinnt.
Wem ist wol nach gegeben
Zu wissen, daß er mag
Gewißlich noch erleben
Auch nur den nechsten Tag?
Strophe. 3.
Hilfft nun was durch Schnee vnd Eiß
In der weiten Welt vmbziehen,
Sich nach Geld' vnd Ehre mühen,
Stets ertragen Staub vnd Schweiß,
Helffen was der Schönheit Sachen,
Vnd bey Büchern sich verwachen,
Durch Geschickligkeit vnd Kunst
Stehn nach grosser Leute Gunst,
Wenn wir in der besten Blüthe
Also werden fort gerafft,
Bleiben ohne Geist und Krafft
Außgenommen das Gemüthe,
Das von vns noch vbrig bleibt
Wenn der Cörper gantz erstarret
Wird der Erden einverleibt
Vnd tieff in den Sand verscharret.
Antistr. 3.
Doch stirbt auch die Tugend nicht
Welcher Lob dann angereget
Sich recht erst zu stärcken pfleget,
Vnd der trewen Freundschafft Liecht
Wird dann erstlich recht erhaben
Wann wir liegen tieff begraben,
Dann dann fellt vns erstlich ein
Wer recht trewe pflag zu seyn;
Darumb solt auch du nun werden,
Liebste Seel', in mir erhöht
Wo die rothe Sonne geht
Vnd der Mond mit seinen Pferden,
Wo nur diese meine Hand
Wird nach meinem Tode bleiben,
Wird dein Nahm' auch sein bekandt
Vnd in Ewigkeit bekleiben.
[478] Epod. 3.
Die Erde müsse dir die Glieder nicht beschweren,
Kein Nordenwind, kein Wasser nicht,
Kein Mond, vnd keiner Sonnen Liecht
Die wollen deine Ruhe dir gefähren,
Es lasse Flora dich mit Blumen bester Art
Begabet seyn, die Nymphen müssen
Dir jmmer sitzen zu den Füssen,
Damit dein Leichnam werde recht bewahrt,
So offt ich werde gehen
Bey deinem Grab' allhier,
So wil ich stille stehen
Vnd seufftzen stets nach dir.
Buchempfehlung
Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.
76 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro