Adam Jäger und Catharina Lunitz

23. Ostermonat 1657.


Liebes-Jagt.


Amor hat umb Wald und Feld

Seine Jagt jetzt angestellt,

Er durchfleuget Berg und Thal,

Hetzt und jaget überal.


Mächtig trifft sein Bogen ein,

Was er nur beziehlt, ist sein,

Vnd sein Köcher wird nicht leer,

Fällt er stündlich gleich ein Heer.


Darumb liegen kranck und wund

Dieser Erden grosses Rund,

Büsche, Felder, Wald und Stein

Vnd die süssen Vögelein,


Alles wild und zahme Thier,

Denn kein Vnterscheid ist hier,

Auch der Mensch, die kleine Welt,

Liegt durch seine Macht gefällt.


An der Liebe liegen matt

Häuffig beydes Dorff und Stadt,

Seht umbher, wie manches Haus

Putzt sich heut mit Tannen aus.


Höffe, Gärten und der Sal

Halten sämptlich Hochzeit-mahl,

Da die süsse Music singt

Vnd die Kunst der Seiten klingt.


Da vergisset man der Noht,

Die uns drewet Brand und Tod,

Keiner Zeitung, die man schreibt,

Wird beym süssen Trunck gegläubt.


Was, Herr Jäger, macht denn ihr?

Jagt ihr euch kein liebes Thier?

Weil der Tod euch nachgestellt

Vnd euch ewer Hertz gefällt?


Vmb der Tangen grünen Rand

Jagt' er ewrer Seelen Pfand,

Das er auch durch strenge Macht

Endlich in sein Garn gebracht.


Sie, die Schöne stirbt dahin,

Hochbetrübt wird ewer Sinn,

Ewer Bett' ist öd' und wild

Vnd mit Jammer nur erfüllt.


Vnterdessen dringt herein

Der gewünschte Vorjahrs-Schein,

Ihr vernehmt, das Amor jagt,

Sitzt ihr einsam und verzagt?


Nein, ihr setzet mit ihm an,

Seyd ein guter Weidemann,

Was die Mümmel schönes führt,

Das wird von euch ausgespürt.


Ewrer Augen heller Stral

Der durchdringet allzumal,

Doch eräugt sich da kein Wild,

Welches ewren Vorsatz stillt.


Königsberg die Edle Stad

Giebt erst ewrem Kummer Raht,

Vnd die schöne Lunizinn

Mus begnügen ewren Sinn.


Zwar ihr habet sie erjagt,

Daß sie kranck an Liebe klagt,

Aber sie im gegentheil

Trifft euch auch durch ihren Pfeil.


Ihrer Augen Plitz und Schein

Dringt zu eurem Hertzen ein,

Ihre Wangen und ihr Mund

Machen euch nicht minder wund.


Also liegen beyde nu

Wild und Weidemann dazu,

Doch der gutten Hoffnung voll,

Daß die Zeit sie heilen soll.


Nun der Tag, die Stund ist da,

Ewer beyder Hülff' ist nah,

Sucht sie in geliebtem Streit,

Ihr geneset beyderseit.
[108]

Gott, dem diese wehrte Jagt,

Seinem Worte nach, behagt,

Jag' euch Einigheit und Ruh

Neben tausent Segen zu.


Aber weil er dieses Land

Jagt durch Waffen, Mord und Brand,

Vnd aus Preußen macht beynah

Ein verkehrtes Sodoma,


Fleht, daß seines Eiffers Glut

Bald sey Gnad' und Liebes-Muth,

Vnd der Krieg, der uns noch schlägt,

Durch den Friede werd' erlegt.


Mars, das ungeheure Thier,

Bleibt ohn unterlaß allhier,

Buß' und Thränen sind der Mann,

Der es endlich fällen kan.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 105-106,108-109.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon