Caspar Rodemann und Katharina Adersbach

29. Aug. 1639.


Auf den Ps.: »Wol dem der barmhertzig ist vnd gern leihet ...« folgt:


Die Worte dieses Gesanges in Reime übersetzet:


O Selig! dem sein Hertz von Wehmuth leicht muß wallen,

Der gerne leiht, vnd nichts so wol sich lesst gefallen,

Als daß kein armer Mensch aus Noth muß vor jhm stehn,

Der von jhm vnbegabt vnd trost-loß solte gehn.[63]

Zwar daß er selbst für sich (wie billich) embsig wache,

Vnd suche, wie er kan, die Wolfahrt seiner Sache,

Doch daß er gehen mag auch fein gerade zu,

Vnd sehe, daß er ja nicht andern vnrecht thu.

Im fall er also lebt, so ist er gantz ohn Sorgen

Vnd fraget nichts darnach, was heut jhm oder morgen

Zu handen stossen sol, er bleibt ohn maaß vnd ziel,

Ob gleich dieß Augenblick die Welt zu boden fiel'.

Auch stirbt sein Nahme nicht, denn wieder den Gerechten

Mag die vergessenheit, wie starck sie ist, nicht fechten,

Er liegt doch jmmer ob. Wenn nun das Glück ergrimmt,

Vnd wieder solchen Mann vergallt zusammen stimmt

Mit Plagen mancherley, wenn grosse Trübnus-Wellen

Empören wieder jhn das gantze Reich der Hellen

Vnd stürmen zu jhm ein, so fürchtet er sich nicht,

Sein Hertz hat hingestellt auff Gott die zuversicht

Vnd trutzet aller Macht; gesetzt daß Berg vnd Hügel

Bewegten jhren Grund, zersprengten Schloß vnd Riegel

Vnd drewten schweren Fall, der Sternen helles Hauß

Schlüg' auff die Welt herab, die Vfer riessen auß

Vnd liessen über vns noch eine Sünd-fluth kommen,

So hat sich Er dennoch in solchen Schutz genommen,

Der jhn gantz furcht-loß helt; Er ist in Gott gekehrt

Mit Hoffnung starck verschantzt, vnd achtet nichts so wehrt,

Das jhm den festen Sinn im minsten möchte heben:

Recht wie ein hoher Felß mit Fluthen rings vmbgeben

Der Wolcken Dach berührt, vnd nichts nach allem fragt,

Wie wild auff jhn die See mit Sturm vnd Wellen jagt.

Er ist vnd bleibt getrost in Gottes zuvertrawen,

Biß daß er seine Lust an seinen Feinden schawen

Vnd jhrer lachen kan, die selbst ohn allen zwangk

Gerades weges gehn auff jhren vntergangk,

Der Seelen grosse Qual. Doch pflegt er vnterdessen

Des lieben Armuths nicht daneben zu vergessen,

Er strewet reichlich auß, sagt, seine Schuld-gebühr

Sey guttes thun, vnd nimpt von Gott den Lohn dafür,

Den die Gerechtigkeit an jhm wird ewig preisen.

Sein Lob wird herrlich sich vor allem Volck' erweisen,

Sein Horn erhöhet stehn. Danckt alle welt nun ab,

Folgt nach der Zeit-Gewalt vnd legt sich in das Grab,

So kömpt noch Er davon, er kan dem Todes-Bette

Entgehen wenn er wil, vnd lebet in die wette

Selbst mit der Ewigkeit. Sein Feind wird dieses sehn,

Der Gotts-vergeßne Feind, vnd alles was geschehn,

Wird vnmuth vnd verdruß in seiner Seel' empfinden

Vnd bloß auß vngedult in Eiffer sich entzünden,[64]

Wird sprechen bey sich selbst: Pfui jmmer, pfui dich an,

Daß jenem nicht dein Neid die Wolfahrt hindern kan!

Schaw, wie er grünt vnd blüht! dieß wird er erst gestehen

Vnd nachmals vnverhofft vor Mißgunst vntergehen.

O grosse Billigkeit! denn welcher Stricke stellt

Der Vnschuld, wird mit recht darinnen selbst gefellt.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 61-65.
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