Danck-Reyme

An einen Hochweisen Raht der Löblichen Stadt Kneiphoff Königsbergk, als derselbte aus rühmlicher Gunst gegen die Gelarten mir jhrer an Pregel-Strom im Thum gelegenen Wohnungen eine hochgünstig eingereumet geschrieben von mir


Simon Dachen.


1644. 6. Mey.


Gott woll' es ewig lohnen

Des Kneiphoffs weisem Raht,

Der mir allhie zu wohnen

Geneigt erleubet hat,

Wo nach des Thumes Brücken

Der Pregel See-warts fährt,

Vnd seinen krummen Rücken

Stracks nach der Rechten kehrt.
[129]

Gott, dem es vnverborgen,

Was mir zu Tag vnd Nacht

Die trüben Wohnungs-Sorgen

Für Kümmernis gemacht!

Die Schneck vnd Schildfrosch bringen

Ihr' Hütten mit zur Welt,

Der Mensch muß mühsam ringen

Eh' er ein Hauß erhält.


Nicht alle können erben,

Nicht alle so geschwind

Dieß Eigenthumb erwerben,

Wie fleissig sie auch sind,

Mein Heyraht-Gut kan geben

Gewünschte Lieb vnd Pflicht

Vnd alle Rhue im Leben,

Ein eigen Hauß nur nicht.


Nach eignem Grunde trachten

Ist nicht Poeten Brauch,

Wo dieses war zu achten

So bin ich einer auch;

Doch darumb auff der Gassen

Den Himmel sich allein

Erbärmlich decken lassen,

Scheint menschlich nicht zu seyn.


Wo in ein Faß auch kriechen

Geht dieses Orts nicht an,

Vor hat es bey den Griechen

Diogenes gethan.

Vnd könt ich so gleich leben,

Die Welt, die hoch gesinnt,

Großmühtig vberstreben,

Wo lass' ich Weib vnd Kind?


Auff hohen Zins wo bleiben

Trägt mein Verdienst nicht aus,

Wer lässt sich auch gern treiben

Offt in ein ander Hauß?

So gehts! an frembdem Strande

Erhalt ich Lob vnd Ruhm,

Vnd hie im Vatterlande

Hab' ich kein Eigenthum.


Homerus lag begraben,

Vnd Colophon wolt' jhn

Auch so zum Bürger haben,

Zum Bürger Salamihn,

Dieß sucht auch Smyrna eben.

Hie ist die Kunst-luft kalt,

Hie ist in meinem Leben

Für mich kaum Auffenthalt.


Ich weiß, ich bin bey weiten

Homerus gleichen nicht,

Ob darumb meinen Seiten

Auch alles Lob gebricht?

Für Marons Feld-Trompeten

Schwieg Flaccus Leyer still,

Vnd ist doch bey Poeten

Noch ein berühmtes Spiell.


Ich wil mich nicht vermässen,

Doch hat des Höchsten Handt

Auch meiner nicht vergessen,

Erholt sich nur mein Standt,

Kan ich nicht Maro heissen,

Rhümt mich nicht alle Welt,

So sing ich doch, was Preussen

Zum minsten wolgefellt.


Auch was ich schon geschrieben

Lernt Kirch, Hauß, Land vnd Stadt,

Vnd alles was belieben

An Kunst vnd Andacht hat,

Ich weiß mit guttem Grunde,

Mein schlechtes Reimelein

Werd in der letzten Stunde

Noch manchem tröstlich seyn.


Sol mich nun solcher massen

Bey diesem trewen Sinn

Mein Vaterland verlassen,

Dem ich zu Diensten bin?

Ich kan versichert leben,

Daß, was mit lieber Handt

Mir diesfals wird gegeben,

Nicht schlimm sey angewandt.
[130]

Man legt bey Eitelkeiten

Offt dieß vnd jenes an,

Das bey gelehrten Leuten

Weit baß verfangen kan,

Kein Mensch ist so sein eigen,

Nur jhm vnd keinem reich,

Vns Lieb vnd Gunst erzeigen

Kriegt Nutz vnd Rhum zugleich.


Ich werd, Hochweise Herren,

Dir Ihr der Gutthat Thür

Mir wisset auffzusperren,

Ich werd' euch, gläubet mir,

Für diese Gunst erweisen

Des Hertzens tieffen Danck,

Werd ewre Gutthat preisen

Jetzt vnd mein lebenlang.


Was ich mit meinen Reimen

Nicht gnug erheben kan,

Mir niemals lassen träumen,

Das habt jhr mir gethan.

Ich hab an Ewre Güte

Zwar offt vnd viel gedacht,

Jedoch von dem Gemüte

Mir Hoffnung nie gemacht.


Ihr wolt nicht nur verhengen,

Daß niemand, wer er sey,

Mich nach der Zeit sol drengen,

Ihr habt mich auch dabey

An solchen Ort gesetzet,

Der, was in dieser Stadt

Mich inniglich ergetzet,

Volauff zu reichen hat.


Hie fleusst der linde Pregel,

Dort seh ich Wiesen stehn,

Die schnelle Flucht der Segel

Muß hier fürüber gehn.

Vmbher biß nach der Heyden

Hat mein Gesicht genies,

Stracks hinter diesen Weiden

Liegt Ewer Gut Schönfließ.


Rahts-Hoff ist mir zugegen,

Das Ewre Lust enthelt,

Zur Lincken ist gelegen

Das Kirchdorff Seelgenfeld,

Vnd Aweiden zur Rechten,

Von mehrerm schweig ich still,

Das sich in Reime flechten

Nicht füglich lassen will.


Sol mich die Lufft begnügen?

Hie ist sie frisch vnd rein.

Sucht ich auch Liecht zu kriegen?

Hie wohnt der Sonnen-Schein.

Wil ich nach Rhue auch stehen?

Die Stille herbergt hier.

Ein wenig mich ergehen?

Das Thor ist vor der Thür.


Hie werd ich erst recht tichten.

Der Pregel-Strom wird frey

Mich lehren, vnd selbs richten

Was gut vnd nicht gut sey.

Vnd Echo wird erklingen

Fern durch die freye Lufft,

Die lieblich, was wir singen,

Vns hier entgegen rufft.


Es mag sich prächtig zieren

Was jrgends weiß vnd kan,

Sucht Häuser auffzuführen

Vnd bawet Himmel-an

Ich werd Euch gar nicht neiden,

Nun ich nur Freyheit voll

Allhie ohn alles leiden

Mein Leben enden soll.


Hie wird mein Sitz sich gründen,

Hie bleib ich fort vnd fort,

Hie bin ich nur zu finden,

Kömpt wer aus frembdem Ort

Vnd hat nach mir zu fragen,

Der spreche hier mir zu.

Von hier sol man mich tragen

Zu meiner langen Rhue.
[131]

Ich hett', jhr Kneiphoffs-Väter,

Des gröbsten Lasters Schuld,

Vnd wer ein Vbelthäter,

Im fall ich diese Huld

Nicht suchte zu erkennen,

Im fall mein Hertz dabey

Nicht jmmer solte brennen

Für danckbarlicher Trew.


Was weis ich Euch zu bringen

Ohn blohß des Danckes Ehr'?

O könt' ich doch erzwingen

Von mir noch etwas mehr

Als inniglich ermässen

Die grosse Gutthat! nein:

Der Höchste wolle dessen

Selbs ein Vergelter seyn.


Der wird Euch nimmer lassen,

Euch vnd was ewer ist

In seine Gnade fassen

Zuwieder aller List.

Er wird Euch benedeyen,

Euch stets erfrewten Muth

Vnd klugen Raht verleihen

In allem was Ihr thut.


Der Stadt wird nicht entgehen

Was Ihr auff mich gewandt,

Sie wird im Segen stehen,

Erfahren bessern Standt.

Die schwere Zeit wird schwinden,

Die werthe Bürgerschafft

Sol vnter Euch empfinden

Der Nahrung newe Krafft.


Gott laß Euch ewren Nahmen

In vnverwelckter Blüet

Vnd segn' Euch ewren Samen

Ins hundert-fache Glied!

Er wol jhm Häuser geben

Theils hie in dieser Zeit,

Vnd theils nach diesem Leben

Das Hauß der Ewigheit.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 127-132.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Robert Guiskard. Fragment

Robert Guiskard. Fragment

Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.

30 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon