Wikingerfahrt

[278] Die Segel zerschlissen, zersplittert die Rah,

Das Steuer gebrochen, kein Hafen nah',

Der schuppige Drache gehaun vom Bord:

Doch braust in den Fluten ein freudiger Nord:

Er trägt uns zum Süd,

Wo die Traube glüht,

Zum sonnigen Süd!

Die Mäntel spannet als Segel auf!

Gott Odhin, leih' uns guten Lauf,

Zum Süd, zum sonnigen Süd!


Lang dient' ich dem Kaiser in Byzanz,

Dort ist zu holen Glück und Glanz:

Hei was ich da roten Goldes sah!

Ein Eiland heißet Sizilia,

Dort spülen die Quellen Edelstein

Und blau lacht ewig der Himmel drein:

Und vom selben Baum und vom selben Ast

Ich pflückte die Blüt' und der Goldfrucht Last:

Und nimmer sind' ich Ruh' und Rast

Bis ich wieder der seligen Insel Gast

Im Süd, im sonnigen Süd!


Dort blühen die Weiber in dunkler Pracht

Und die Männer wandeln in Weibertracht,

Sie tragen die Brünne von Gold statt Erz:

Doch darunter pochet ein feiges Herz.

Dies Reich ist ein Becher, gefüllt zum Rand,

Es harrt auf des kühnen Trinkers Hand,

Ist der Goldfrucht gleich, die vollreif glüht,

Der üppigen Witwe, des Schleiers müd:

Zum Süd, zum Süd!

Wir fahren zum sonnigen Süd!

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 278-279.
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