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[370] 1.
In dem Jahre siebzehnhundert,
Vierundzwanzig Jahre zählend,
Ausstudiert zu Salamanca
Hat Alfonso de Vidal. –
Oheims Muntschaft ist zu Ende:
Und zurück ins Schloß der Väter
An dem blauen Manzanares
Kehrt er als sein eigner Herr.
Aber vor dem Scheiden will er
Noch das Abenteuer krönen,
Das geheimnisvoll schon lang' ihm
Aus dem »Haus der Schönen« winkt.
»Haus der Schönen« heißt die Villa,
Lauschend in Granatenbüschen,
Daran täglich die Studenten
Gehn vorüber ins Kolleg.
»Haus der Dreie«: denn es wohnen –
Die Studenten wissen's! – drinnen
Eine Tante und zwei Nichten: –
Alle drei bezaubernd schön!
Donna Laura heißt die Tante:
Junge Witwe, feurig, üppig,
Schwarzgelockt: daß sie zu mager, –
Selbst der Neid behauptet's nicht.
Braune Zöpfe trägt Ximene,
Rote Flechten Donna Sancha:
Ob die Tante, ob die Nichten,
Welche Nichte schöner sei, –
[371]
Zwei Gemester disputierten
Die Studenten Salamancas
Eifriger um diese Frage,
Als um Aristoteles.
Und so oft Alfons vorüber
Schritt den grünen Gitterläden,
War es Morgens, war es Abends, –
Eine Blume glitt herab.
(Daran war nun nichts Besondres:
Weil Alfonso, wie wir sehen
Werden, wie in anderm Muster,
Schön von Wuchs und Antlitz war.)
Aber welche von den dreien
Lohnt den fleißigen Studenten
So für seinen Fleiß alltäglich?
Dies ergründen muß Alfons.
Und er nimmt die treue Zither –
(Denn auch musikalisch war er,
Dieser reichbegabte Jüngling)
Und er singt im Mondenschein:
»Edle Donna, übermorgen
Muß ich ziehn aus Salamanca:
Darf ich morgen nacht es wagen, –
Eine Blume wirf herab!«
Und bevor der Ton verhallt ist,
Sieh, schon öffnen sich drei Lädchen,
Und es sinken ihm zu Füßen
Wunderschöner Blumen drei.
[372]
Eine rabenschwarze Malve:
»Das ist von der Tante Laura!«
Eine dunkelbraune Nelke:
»Von Ximene dies, dem Bräunchen!«
Rotes Röslein: »Sancha rot!«
Schwer betroffen steht der Jüngling!
»Alle drei? Wie soll das werden?«
Auf den Hut steckt er die Malve,
An das Wams die Nelke braun!
Doch wie er die rote Rose
Mit der Hand führt an die Nase,
Sieh, aus schmaler Mauerritze
Eine vierte Blume fällt.
Eine kleine, weiße Blüte:
Niemals sah er ihresgleichen,
Und ein Duft entströmt der weißen,
Wie er niemals ihn genoß.
An den Hut steckt zu der Malve
Er die Rose: nur der weißen
Blüte Duft verlangt er sehnlich,
Die er hält in seiner Hand.
2.
In der nächsten Nacht im runden
Saale steht des ersten Stockwerks
Don Alfons, die seidne Leiter
Zieht er nach auf den Balkon.
[373]
(Nun darf das euch nicht befremden,
Daß er solch ein Werkzeug hatte:
Dies gehört in Salamanca
Nun einmal zum Studium.)
Sieh, drei Schlafgemächer münden
Mit den Türen in den Rundsaal,
Nur ein Vorhang deckt die Öffnung,
Welche zu der Treppe führt.
Aus der Osttür tritt in roten
Flechten Sancha: – doch der Vorhang
Wallt so seltsam: – er verscheucht sie.
Auf die Schwelle nun im West
Schwebt die bräunliche Ximene:
Doch ein weißes Füßlein streckt sich
Schüchtern unterm Vorhang in den
Rundsaal, und Ximene flieht.
Aus der Südtür stürmt da glühend
Im Gewog der schwarzen Locken
Tante Laura: besser als die
Mädchen weiß sie, was sie will.
Mag der Vorhang wehn, das Füßlein
Kecker auf der Schwelle spielen,
Sie erschließt ihm weit die Arme:
»Aber Tante!« tönet da
Aus dem Vorhang süß ein Stimmlein
Und die Tante flüchtet zürnend.
Aber aus dem Vorhang schwebt nun
In den Saal ein Zaubertraum:
[374]
Ganz gehüllt in weiße Schleier,
Schwebt ein Kind von fünfzehn Lenzen,
Schlank und schmal und zart und zaghaft,
Wie ein frommes Heil'genbild.
Lichte goldne Locken fluten
Auf den kaum entknospten Busen,
Und Madonnenaugen schlägt sie
Schämig zu dem Jüngling auf.
Dieser sinkt aufs Knie vor Staunen,
Süße Glut durchrinnt ihn leise:
»Sprich, wer bist du? Und wie heißt du?«
»Ach, Maria bin ich nur,
Bin das Bäslein aus Asturien.
Tante haben und Kusinen
Immer mich versteckt gehalten,
Wohl weil sie sich schämten mein.
Wann sie aus den Läden grüßten
Alle Herrn von Salamanca,
Ich – aus meiner Mauerritze –
Sah verstohlen nur nach Euch!
In den Bergen von Asturien
Lernt' ich Künste nicht, noch Feinheit,
Und ich weiß nicht viel zu sagen –:
Doch ich sterbe, scheidest du!«
Auf vom Boden sprang Alfonso,
An die Brust riß er die Blonde:
»O, Maria! Weiße Blume!
Ewig, ewig bist du mein!«
[375]
Und herab die seidne Leiter
Trug er die verschämte Kleine,
Und er hob sie auf sein Rößlein
Im Gebüsche von Jasmin.
»Ach, wohin, wohin, Geliebter?«
»Auf mein Schloß am Manzanares!«
Doch am Kloster in der Vorstadt
Hielt er an. Nun sagt: weshalb?
Er hielt an vor jenem Kloster,
Um sich schleunigst traun zu lassen,
Weil er nicht nur musikalisch,
Sondern auch moralisch war.
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