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[200] Wer ist es, der bevor der Tod ihm Flügel
Geliehen, also uns'ren Berg umkreiset
Und nach Gefall'n die Augen schließt und auftut? –
Ich weiß es nicht; doch ist er nicht allein.
Sprich du ihn an, denn du bist ihm der Näh're;
Und rede so, daß gern er Antwort gebe. –
So sprachen über mich zu uns'rer Rechten
Zwei Geister, einer zugeneigt dem andren;
Dann hoben das Gesicht sie, um zu reden.
Und einer sagte: Seele, die im Körper
Noch weilend, du entgegengehst dem Himmel,
Gib uns'ren Bitten nach und laß uns hören[200]
Woher und wer du seist; denn so verwundert
Die Gnad' uns, die dir ward, wie einem Dinge,
Das nie zuvor gesehen ward, sich gebühret. –
Drauf sagt' ich: Mitten durch Toscana wandert
Ein Flüßchen, das entspringt am Falterona
Und dem nicht hundert Miglien Laufs genügen;
Von seinem Ufer bring' ich diesen Leib.
Vergeblich wär', euch wer ich sei zu sagen,
Da noch mein Name nur geringen Klang hat. –
Verkörpert mein Verständnis richtig deinen
Gedanken, sagte, der zuvor gesprochen,
So meinst mit deiner Rede du den Arno. –
Der and're aber sprach zu ihm: Weswegen
Verbarg er nur den Namen jenes Flusses,
Wie man mit grauenhaften Dingen tut? –
Darauf erwiderte der so Gefragte:
Ich weiß es nicht; doch weiß ich, wohl verdiente
Den Untergang der Name dieses Tales.
Wird doch von seinem Anfang, wo die Kette,
Von der Pelorum losgerissen wurde,
An Quellen reicher ist, als irgend sonst wo,
Bis dahin wo zu dem Ersatz des Nasses
Es beiträgt, das vom Meer der Himmel aufsaugt
Und dann den Flüssen ihren Inhalt spendet,
Von jedermann die Tugend so als Feindin
Verscheucht, wie gift'ge Schlangen; sei's die Schuld
Des Bodens, sei es Unsitt', ihnen eigen.
Gewandelt haben deshalb die Bewohner
Des argen Tals so gänzlich ihre Weise,
Als wären sie in Circe's Kost gewesen.
Den armen Pfad lenkt zwischen wüsten Schweinen
Zuerst es, denen, mehr als Menschenspeise,
Zur Nahrung Eichelmast geziemen würde.
Dann findet es im Niedersteigen Kläffer,
Viel knurriger, als ihrer Macht gemäß ist;
Doch denen kehrt verächtlich es den Rücken.[201]
Und weiter senkt der maledeite Graben,
Der unheilvolle, sich, und wie er anschwillt,
Sieht er die Hunde sich in Wölfe wandeln.
Zuletzt, durch düst're Schlünd' hinabgestiegen,
Trifft er auf Füchse, die so voller Trug sind,
Daß auch der Schlau'ste sie nicht überlistet.
Wer mich auch hört, ich rede drum nicht minder,
Und gut wird's jenem sein, gedenkt dereinst er
An das, was ein wahrhafter Geist mir kundtut.
Ich sehe deinen Enkel an dem Ufer
Des argen Strom's als Jäger jener Wölfe,
So daß sie alle sich darob entsetzen.
Ihr Fleisch verkauft er, während sie noch leben;
Dann, wie ein altes Raubtier, würgt er sie.
Das Leben raubt er vielen, sich die Ehre;
Den traur'gen Wald verläßt er blutbesudelt,
Verwüstet also ihn, daß ein Jahrtausend
Nicht hinreicht, wie zuvor ihn zu bestocken. –
Wie bei Verkündigung von Schmerz und Schaden
Das Angesicht des Hörers sich verfinstert,
Woher auch immer die Gefahr ihm drohe,
So sah die andre Seel' ich, welche hörend
Aufmerkte, voller Trauer sich verfärben,
Als jenes Wort sie in sich aufgenommen.
Begierig machten mich nach ihren Namen
Der einen Rede und der andren Mienen;
Darum verband mit meiner Frag' ich Bitten.
Der Geist, der allererst zu mir gesprochen,
Begann: Du willst, daß ich bereit mich finde,
Dir, was du selbst nicht tun willst, zu gewähren;
Doch, weil es Gott gefällt, daß seine Gnade
So aus dir leuchte, karg' auch ich nicht, drum
Vernimm, daß Guido ich del Duca bin.
Es war mein Blut so sehr entbrannt von Neide,
Daß mich entstellt der Scheelsucht Farbe hätte,
Hätt' ich in fremdem Auge Freud' entdeckt.[202]
Von meiner Aussaat ernt' ich solches Stroh
Was wendet, Menschen, dorthin ihr das Herz,
Wo der Genossenschaft Verbot notwendig?
Der ist Rinieri, Ruhm und Preis des Hauses
Der Calboli, in dem, seit er gestorben,
Kein Erbe seiner Tüchtigkeit sich fand.
Und nicht nur seinem Blute kam abhanden
Vom Po zum Berge und vom Strand zum Reno
Was nötig ist zum Wahren wie zur Freude;
Das ganze Land ist zwischen diesen Grenzen
Von giftigem Gesträuch so dicht verwachsen,
Daß Axt und Pflugschar jetzt zu nichts mehr nützen.
Wo sind Pier Traversar, der gute Lizio
Heinrich Mainardi, Guido von Carpigna?
Wie seid, o Romagnolen, ihr entartet!
Wann keimt ein Fabbro in Bologna wieder.
Ein Bernardin di Fosco in Faenza,
Als edles Reis von unscheinbarem Grase?
Nicht wund're dich, Toscaner, daß ich weine,
Denk' ich mit Guido, dem von Prata, dessen
Der mit uns lebte, Ugolin's von Azzo,
Friedrich Tignoso's und des Freundekreises,
Der Häuser Traversar' und Anastagi
(Das eine unbeerbt sowie das andre),
Der Ritter und der Frau'n, der Müh'n und Freuden,
Die uns zu Minn' und edler Sitte führten,
Wo jetzt die Herzen so verderbt geworden.
O Brettinoro, was entfliehst du nicht,
Da sich dein Herrenhaus von dir gewendet,
Der Bosheit zu entgehn und mit ihm viele?
Wohl tut Bagnacaval, wenn sich's nicht fortpflanzt,
Doch übel Castrocar' und schlimmer Conio,
Daß sich's auf solcher Grafen Zeugung einläßt.
Gut werden die Pagani tun, sobald erst
Ihr Teufel fort ist; doch nicht in dem Maße,
Daß je von ihnen rein das Zeugnis bliebe.[203]
Dein Name, Ugolin de' Fantolini,
Ist sicher, da kein Sproß mehr zu erwarten,
Der durch Entarten ihn verdunkeln könnte.
Nun aber geh, Toscaner, denn mich freut jetzt
Um vieles mehr, zu weinen, als zu reden,
So sehr hat dies Gespräch mein Herz befangen. –
Wir wußten wohl, daß diese teuren Seelen
Es hörten, wie wir gingen; darum hießen
Sie schweigend, unsrem Wege uns vertrauen.
Als vorwärts schreitend wir allein uns fanden,
Vernahmen einen Ruf wir uns entgegen,
Dem Blitze gleich, wenn er die Luft durchbricht:
Totschlagen wird mich jeder, der mich antrifft; –
Und er entschwand, verhallend wie der Donner,
Wenn ungestüm die Wolke er zerreißt.
Kaum hatte unser Ohr von diesem Ruhe,
Da kam ein zweiter mit so lautem Schalle,
Daß er dem Donner glich, der schleunig nachfolgt:
Aglauros bin ich, die zum Stein geworden. –
Da tat, um mich dem Dichter anzuschmiegen,
Statt vorzuschreiten, ich den Schritt zurücke.
Schon war die Luft nach jeder Seite ruhig
Und jener sprach: Das war der harte Zaum,
Der euch in euren Schranken sollte halten;
Doch ihr greift nach dem Köder, und die Angel
Des alten Widersachers zieht euch zu ihm,
So daß gar wenig Ruf und Zügel fruchten.
Es ruft der Himmel euch, der euch umkreisend,
Euch seine wandellose Schönheit zeiget,
Und dennoch blickt eu'r Auge nur zur Erde;
Drum züchtigt euch, der alles recht erkennt. –
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