Der Metzgerlehrling Paul

Schön und nicht nur obenhin

Schien dem Paul die Metzgerin.

War er auch der Lehrling nur,

Trug er doch schon Schnurrbartspur.


An der blut'gen Schlächterbank

Machten ihn zwei Augen krank.

Schlug er Kälber ins Genick,

Leicht trug er den Todesblick.


Doch das Aug' der Metzgerfrau

Machte ihm den Blick voll Tau.

Und der Schleifstein fiel ihm hin,

Dran ers Messer sollt' abziehn.


Eingeweid' kroch um ihn her,

Kalb und Schwein verwechselt er.

Sieht die Metzgerin ihn an,

Unser Paul gleich sterben kann.


Und mal, mittags war's, im Laden

Seine Lehrlingskameraden

Neckten ihn: er wär' wie Teig,

Und vielleicht im Grunde feig.


Sie saß grade an der Kassen,

Und der Paul, er mußt' erblassen:

»Wollt Ihr einen Spaß schnell sehn?«

Rief er, tat das Messer drehn.
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Stieß sich's bis ans Heft ins Herze

Und fiel um, bleich wie 'ne Kerze.

Denn er wußte schrecklich gut,

Nur der Tod beweist den Mut.


Was half's, daß die Metzgerin

Tausend Schreie schreit um ihn!

Nichts mehr seine Leiche rührte,

Wenn er's noch so gern auch spürte.


Quelle:
Max Dauthendey: Die Ammenballade. Leipzig 1913, S. 121-126.
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