Die Hochzeithemden Frida und Heinerich

Bett an Bett, zwei Betten standen,

Drauf sich zwei Pakete fanden.

Frische Wäsche war darin.

Zwei legten sie vorhin hin.


Diese Zwei sind dann gegangen.

Und mit Blicken, mit schmerzlangen,

Schieden sie vom Zimmerort.

Denn man ging für immer fort.


Und in den Paketen drinnen

Lagen Hemden, zwei aus Linnen.

Eines davon war ein Herr,

Doch das andere weiblicher.


Beide Hemden sich gut kannten

Und sich laut beim Namen nannten.

Das, vom Herrn, hieß Heinerich,

Frida rief das andere sich.


»Heinerich, was soll's bedeuten?

Was geht vor mit unsern Leuten?

Etwas muß im Gange sein,

Man schließt uns hier seltsam ein.«


»Frida, mußt Dich nicht erschrecken,

Sonst kriegt Leinewand Stockflecken.

Sieht mans Leben zu genau,

Wird leicht jeder Faden grau.«
[141]

»Heinerich, mir wird's so eigen!«

»Frida, später wird sich's zeigen.«

»Heinerich, mir wird so schwül!«

»Echte Leinwand, Weib, bleibt kühl.«


»Heinerich, ich fühl ohn' Ende

Jene Finger jener Hände,

Jenes Blut, das mich sonst wärmt,

Schien mir heute so verhärmt.


Heute stehn wir vor dem Tode!

Gestern noch in der Kommode –

Heinerich, wer hätt's gedacht,

Leichen schmücken wir zur Nacht.«


»Frida, was treibt Dich zu Schlüssen,

Die sich erst beweisen müssen?

Unser Leben war nie schwer,

Lustig ging's stets in uns her.


Denk' nur an die Hochzeitshitzen,

Die in unseren Fäden sitzen!

Dampfend lag Dein Spitzenlatz

Oft an meinem Brusteinsatz.


Frida, mach' nicht mehr Grimassen!

Man muß Dich sonst bügeln lassen«.

»Heinz, etwas ins Zimmer tritt,

Kalt wie einer Schere Schnitt.
[142]

Eiskalt werden meine Spitzen.

Siehst Du es am Bett nicht sitzen?

Ach, ich sehe es genau,

's ist der Tod mit seiner Frau.«


Beide Hemden, unter Zittern,

Bei dem Bett den Tod kalt wittern.

Und es krachte jede Naht,

Weil der Tod sie schütteln tat.


Horch! Ein Poltern auf den Treppen.

Männer jetzt zwei Leichen schleppen.

Frida kannte sie sogleich,

Und auch Heinerich wird bleich.


Denn der guten Hemden Leute,

Gar zu mies ging's ihnen heute.

Elend sucht den Tod, weil's muß –

Tot zog man sie aus dem Fluß.


In derselben Nacht im Zimmer

Lagen Zwei im Bett wie immer;

Eins im Tode, außen fremd,

Schmückte sie ihr Hochzeitshemd.


Quelle:
Max Dauthendey: Die Ammenballade. Leipzig 1913, S. 137-143.
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