Eine Schmerzstimmung

[19] Es ist eine starre frostige Ebene,

Tiefes graues Gewölk,

Lautlose schwarze Vögel

In flachem Flug.

Und zwischen dem Himmel[19]

Und zwischen dem Erdrand

Ein blasser hilfloser Strahl,

Liegt einsam an der Erde,

Einsam am Himmel.


Es ist eine blutleere Hand,

Blaß ausgestreckt,

Mit dünnem, mattgrünem Geäder,

Und zitternd gereckten, blauen kranken Adern.

Und die graue leere Hand

Liegt hungernd geöffnet.


Es ist das erstickte Auge einer Leiche,

Blauweiß in stechender Steilheit,

Grell unter halbgeöffnetem Lid

Ein erwürgter aufschreiender Blick.


Und es ist von der Leiche

Noch der blaue gekrampfte Mund,

Mit den schweren harten Lippen,

Und dem schweren harten Schweigen.


Aber von Tönen ist es kein Akkord, und kein Laut,

Es ist die vibrierende Fieberstille zwischen zwei Lauten.

Und von Gerüchen ist es

der schluchzende Duft

nasser schwarzer Erde.

Und von Farben:

Das geronnene Rot

und das flehende Blaß

scharfer, verwester Rosen.


Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 19-20.
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