[62] Anna allein. Dann Geisterchor von unten.
Anna kommt sinnend von links hinten durch das Dickicht, ein Körbchen am Arme.
[62] Recitativ.
ANNA.
Wehe mir, wohin, wohin ist es mit mir gekommen? –
Wie schlägt mein Herz so ängstlich und beklommen!
Mein froher Mut, mein froher Mut beginnt zu wanken,
Und miteinander streiten die Gedanken' –
Arie.
Einst war so tiefer Friede mir im Herzen,
Ich kannte keine Sehnsucht, keine Schmerzen,
War so harmlos, war so fröhlich.
Seit ich geliebt bin,
Ist mein Friede hin,
Und nun ich liebe, bin ich unglückselig!
Sie verliert sich in Gedanken.
[63]
Wehe mir! Wohin, wohin mich wenden,
Wie soll es enden?
Wer wird mein Retter sein
Von dieser Pein?
Dem Bräutigam hab ich mein Wort,
Traurig und leise.
mein Wort gegeben,
Es hängt sein ganzes Leben
An meinem Treuversprechen,
Kann ich das brechen?
Kann ich das je brechen?
Und dennoch hab ich jetzt es erst verstanden,
Was so, was so mit mächt'gen Banden
Die Herzen aneinander zieht,
Daß Seel' an Seel' erglüht!
An Konrads Liebe denk' ich mit Entzücken,
Bebend.
Da schreckt mich Heilings Bild mit Vorwurfsblicken
Und doch bin ich in meiner Brust
Mir keiner Schuld bewußt.
Wohin mich wenden,
Wie soll das enden?
Wer wird mein Retter sein
Von dieser Pein?
Wer? Wer? Wer? Wer?
Sie sinkt erschöpft auf den Baumstumpf rechts vorn; nach einer kleinen Pause richtet sie sich ergeben auf.
Die Abendröte schwindet.
So gehe es denn, wie Gott will, ich kann ja nichts thun, als mich drein ergeben. Doch sieh, die Sonne ist schon tief hinunter; mein Gott, wie habe ich mich verspätet. Wäre ich nur lieber heut' nicht zur Base gegangen. Ach, hätte ich's nur zu Haus aushalten können, aber das Herz war mir gar zu schwer, ich mußte hinaus. Sie sieht gedankenvoll vor sich hin. Wer hätte das gedacht, daß der gestrige Tanz mich so traurig machen würde? Und was wird Heiling sagen? Aber da stehe ich schon wie der, ich bin doch auch ganz verwirrt. Nun werde ich mich dazu halten müssen. Von welcher Seite bin[64] ich denn gekommen? Sich umsehend. Wo bin ich denn? Die Gegend ist mir ganz fremd; ich habe mich wohl gar verirrt? Mein armes Mütterchen, wie wird die sich ängstigen! Und wenn die Nacht mich überfällt! Hier soll es nicht geheuer sein; man sagt, daß Kobolde und böse Geister hier ihr nächtig Wesen treiben.
Nr. 9. Ensemble mit Arie und Chor.
Man vernimmt die leisen Klänge des immer näher kommenden unterirdischen Geisterchors.
ANNA. Flüstert es nicht dort? – Nein, da! – Es murmelt, rauscht, es ist unter mir. Immer näher! Der Boden wankt, wohin entfliehe ich?
Die Erdgeister werden sichtbar.
ANNA.Ihr Heiligen, steht mir bei!
Sie sinkt wieder auf den Baumstumpf rechts vorn.
CHOR DER ERDGEISTER.
Aus der Klüfte Schlund,
Durch der Erde Grund,
Drängt hinauf, empor!
An das Licht hervor!
Die Versenkungen öffnen sich.
Die Königin der Erdgeister erscheint, von hellem Licht überflutet, auf der letzten rückwärts belegenen Versenkung auf einer Erhöhung, von weiblichen Erdgeistern und Gnomen umgeben.
Der Chor der Erdgeister erscheint auf den übrigen Versenkungen.
Gnomen schlüpfen aus allen Gebüschen.
Die Einteilung der Versenkungen muß sich natürlich nach den Verhältnissen der Bühnen richten; wenn die Versenkungen nicht ausreichen, kann ein Teil des Chores von beiden Seiten kommen.
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