Im Keller

[117] Das Trinkhorn her! und lasset kreisen

Die dunkle Fluth bei Sangesweisen!

Ein tüchtger Schluck, ein voller Zug,

Thu Jeder, was er kann!

Und ist es um und nicht genug,

So fangt von vornen an!
[117]

Das Horn herbei! hoch lasset schäumen

Den Saft zu süßen Zecherträumen!

Der Wein entgleitet, leise kömmt

Vom Rand der Fluthenschwall,

Wie aus erstarrtem Leibe strömt

Die Seel ins Weltenall.


Das Horn herbei! vom Wein das Singen

Ist keine That noch und Vollbringen.

Das Trinken, wenn die Schale kreist,

Erkenntniß schafft und Lust,

Es ruht in jeder Form ein Geist –

O macht ihn euch bewußt!


Das Horn herbei! wem soll er gelten,

Der tiefe Trunk, den Thoren schelten?

O prahlet nur mit Seelenruh

Und anderer Sympathie,

Wir trinken hoher Liebe zu

Und ihrer Poesie!


Das Horn herbei! und leert es muthig!

Einst stritt es Kämpfe hart und blutig,

Als tief in Westens Wälder noch

Es trug ein freies Thier,

Das nie den Nacken bog ins Joch,

Halsstarrig – so wie wir.
[118]

Das Horn herbei! es ist ein Zeichen

Beherzten Kampfes ohne Weichen!

Trinkt Alle draus! so war es eh,

Als man noch Frohsinn kannt,

Und noch nicht so viel feiges Weh

Im alten Vaterland.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 117-119.
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