Maria

[98] Unter allen Schmerzen,

Die mir zugetheilt,

Wühlet mir im wunden Herzen

Einer, der nicht heilt,

Den ich stets erneue –

Ach, unsäglich ist der Schmerz der Reue!


Reue, daß ich Einen

Von mir lassen hieß,

Heiße, bittre Thränen weinen

Einen weinen ließ;

Den ich treulos nannte,

Einzig liebte, liebt und ganz verkannte.


Könnt ich rufen, weinen

Ihn, ach ihn zurück,

Ohne Thränen ließ ich keinen,

Keinen Augenblick!

Doch in welchen Stunden

Habt ihr klaren Auges mich gefunden?
[98]

Trügen Thränenfluthen

Mich zur ewgen Ruh!

Dem willkommnen Tode bluten

Meine Wunden zu.

Im gebrochnen Herzen

Heilen alle unheilbaren Schmerzen.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 98-99.
Lizenz:
Kategorien: