Auf dem Amboss

[129] Auf einem Block von Eisen kalt

Lag rücklings ich und festgeschnallt,

Und neben mir die Sorge stand.

Mit sehnigem Arm und harter Hand

Sie ihren schweren Hammer schwang,

Ein knochig Weib mit welken Brüsten,

Und an der Lippen bleichen Küsten

Brach sich ein heiserer Gesang.


Daneben, hold wie Sonnenlicht,

Die Liebe schwang im Händchen fein

Ein blitzend golden Hämmerlein.

Sie hatt' der Liebsten Angesicht,

Ihr braunblond Haar, den Küssemund,

Den schlanken Leib, maifrisch, gesund,

Die großen, grauen Augen, trug

Ein erdbeerfarben Kleid, und schlug

Mit ihrem kleinen Hammer brav

Aufs Herz mir. Jeder Schlag der traf.

Und von den frischen Lippen klang

Ein rührend süßer Kindersang.


Und wechselnd fielen Schlag auf Schlag

Die beiden Hammer mir aufs Herz,

Der hülflos ich gefesselt lag,

Die Lippen biss und schrie vor Schmerz.[130]

Bis unerträglich war die Qual.

Ein Ruck! Hinklirrt der Kettenstahl.

Der Sorge reiß' ich aus der Faust

Den Eisenhammer. Niedersaust

Der angstgeführte, wuchtige Hieb

Und trifft, o Gott, und trifft mein Lieb.

Sie sinkt, sie seufzt – – –

Vergieb! Vergieb!

Am Boden wein' ich bitterlich.

Die Sorge aber weidet sich

An meinem Schmerz mit kaltem Hohn

Und hebt den schweren Hammer schon,

Schlag zu, schlag zu – – –.


Quelle:
Gustav Falke: Mynheer der Tod. Hamburg 1900, S. 129-131.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Mynheer der Tod
Mynheer Der Tod Und Andere Gedichte (German Edition)