Sophie an Elise

[187] In diesem Augenblick erhalte ich Ihre Zeilen. Liebste, Beste! wie schmerzt es mich, Sie um Aufschub Ihrer Herreise bitten zu müssen. Mein Gott! Sie werden das fühlen. Ich kann nicht fürchten, daß Sie mich mißverstehen, ja, ich sollte es fordern dürfen, daß Sie mir ohne Weiteres vertrauten, wenn ich mir's abgewönne, Ihnen zu sagen, es sei jetzt kein Zeitpunkt für Ihre Anwesenheit bei mir. Doch, Sie würden nur forschen, grübeln, und sich quälen, also – die Oberhofmeisterin droht mit ihrer Ankunft.[187] Sie will – ich weiß nicht was? Ich kann ihren Brief nicht verstehen. Er ist dunkel, unruhig, schroff, wie sie selbst. Genug aber, sie will kommen, zu mir kommen! In einem Auftrage, wie sie sagt.

Es ist unmöglich, daß Sie beide hier zusammen treffen. Niemanden wird das mehr einleuchten, als Ihnen. Es wäre deshalb auch nicht ein Wort weiter über meine zurückweisende Antwort Ihres Briefes zu sagen, wäre dieser Brief nicht, wie er ist.

Nein, in keinem Augenblick Ihres erschütterten Lebens haben Sie mir so ganz vernichtet, so fassungslos, so – lassen Sie mich's sagen, so herabgeworfen von Ihrer klaren Höhe, geschrieben. Ist es denn wahr, daß auch Ihnen der Muth sinkt, und die Schwungkraft des Geistes weniger dem Sturm als der entnervenden Schwüle erliegt.

»Es reicht hin, das Maß voll und die Pflegerin unerträglich zu machen,« sagen Sie in einem Tone unwilliger Kraftlosigkeit, die mich erschreckt.

Liebe! Gute! wo sind Sie hingerathen mit Ihrem Geschick, mit sich, mit den nächsten Freunden? Die Tante meinen Sie, und Curd und[188] Hugo. Sie deuten Alles nur leise an, aber es läßt sich errathen, was die einfache, redliche Verwandte wünscht, was der beschränkte Sohn möchte – doch Hugo? – Nur er hat Sie wohl so ganz aus dem Gleichgewicht gerissen. Mit den beiden Andern, dächte ich, würden Sie leicht fertig. Wenn er aber! – Was wollen Sie denn hier, Elise? Sind Sie nicht einig mit dem Freunde, so sind Sie es noch weniger mit sich. Leicht möchte dann der unerwünschte Aufschub ein Gewinn sein. Betrachten Sie es so. Befreien Sie die befangene Seele von den Banden des Augenblicks. Sehen Sie über diesen weg. Sammlen Sie, o sammlen Sie den lieben, hellen, schönen Geist, senken Sie ihn nur einmal in den heiligen Quell zurück, von dem er ein armes, kleines Tröpfchen ist, das so oft der Erneuerung bedarf.

Meine beste Elise! ich sage Ihnen nichts mehr, kein Wort, aber heiße Thränen kosten Sie mich! Mußte denn die heitere Jugend so frühe altern?[189]

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 187-190.
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