Scena III.

[35] Wendelgard, Lorentz, Heine, Vlrich.


WENDELGARD.

Dv Fridlin vnd du Hentzelin,

Du Aberlin vnd Cöntzelin,

Bringt her die Körb mit frischem Brot,

Den armen ztrost in jhrer Noht.

Tragt her ein guten newen Wein,

Vnd schenck den armen leuten eyn.

Nu kompt herzu jhr frommen armen,

Laßt ewer vmb Gotts willn erbarmen.

VLRICH.

Siehe dort sieh ich mein Wendelgart,

In jhrem Weyler frommer art.

O GOTT wie kan ich mich enthalten,

Mein Hertz möcht mir in stück zerspalten.

Nu misch ich mich in hauffen nein,

Kein mensch mich kent, wedr groß noch klein.

LORENTZ.

Gang weidlich hernacher blinder Tropff,

Wilt anderst füllen deinen Kropff.

Ich bin der erst auff dieser Bahn,[35]

HEINE.

Ach gebend auch eim blinden Mann,

Ein GOTtes Gab vmb GOTtes willen,

LORENTZ.

Ach wölt mich meiner Bitt erfüllen.

HEINE.

Ach wöllent mir auch etwas geben,

Vergelts euch GOTT in jenem Leben.

LORENTZ.

Ach fromme Mutter stehet still,

Vnd gebt ein Gaab vmb Gottes will,

Daß euchs Gott der Herr trewlich vergelt,

In diesem Leben, vnd jener Welt.

WENDELGART.

Kom einer nach dem andern her,

Ich wil euch ewer Bitt gewehrn.

LORENTZ.

Ach sehend an den krancken armen,

Vnd lohnd euch vmb Gotts willn erbarmen.

Er kan nit auff den fassen stehn,

Muß her auff zweyen Krücken gehn.

WENDELGARD.

Nim hin diß Brot vnd diesen Pfennig,

LORENTZ.

Gnädige Fraw, es ist zu wenig,

Ich hab daheim neun kleiner Kind,

Sampt meiner Fraw, ein arms Gesind.

WENDELGARD.

Sehe hab dir noch drey Brot darzu,

LORENTZ.

Nu wer ich jetz und wol zu Rhu,

So hab ich weder Milch noch Schmaltz,

In meinem Hauß ein spretlin Saltz.

WENDELGARDT.

Seh da nim sieben Heller hin,

LORENTZ.

Ist wenig gnug, wo bleibt der Win?[36]

WENDELGARD.

Gib her dein liderin Fläsch, mein Man,

LORENTZ.

Kein Wasser ich wol trincken kan.

WENDELGARD.

Da hab den Wein, denselben trinck,

Darbey meins frommen Herrn gedenck,

Graff Vlrichs seligs, der in Gott,

Verschieden ist durch seinen Todt.

VLRICH.

Mein trewer Gott, mein Schöpffer gut,

Empfallen ist mir Sinn vnd Mut,

Das ich sol hören diese Wort,

Von Wendelgard meim edlen Hort.

HEINE.

Ach gebt mir auch von ewer Haab,

Vmb Christus willn, ein GOTtes Gaab.

WENDELGARD.

Nim hin das Brot, vnd trinck den Wein,

Wölst meins Herren eyngedenck sein,

Graff Vlrichs seligs meins Gemahls,

Ders Leben ließ mit groß Vnfahl,

Wünsch jhm ein selig Aufferstentnuß,

Vnd vns ein rechte Gotts Erkentnuß.

VLRICH.

Ietz kan ich mich erhalten nit,

Ach gwerend mich auch meiner Bitt.

WENDELGARD.

Sehe hin, da hast ein Brot mein armer,

Gott wöll sein vnser aller erbarmer.

HEINE.

Ich hab mein Theil, ich gehe daruon,

LORENTZ.

Du must mich warlich mit dir lohn.

Wir wöllens mit einander verzehren,

Vnd darnach widerumber kehren.

WENDELGART.

Von dieser Kost drinck vnd iß,[37]

Vnd meines Herren nit vergiß,

Graff Vlrichs selign von Buchhorn,

Eins thewren Helden außerkohrn,

Was helstu mir mein Hand so lang?

VLRICH.

Nu ist mir jetz im hertzen bang.

Ach liebe Fraw habt kein verdruß,

Das ich euch gib ein solchen Kuß.

WENDELGARD.

Secht zu den stoltzen Bettler, secht,

Wo seind mein Diener, meine Knecht?

Schlagt jmmer zu den argen Wicht,

Das er jetz mein verschonet nicht,

Küsset mich vor allen menschen hie,

Solchs ist mir widerfahren nie.


Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 35-38.
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