Lied

[178] Ach, du fliehst vergebens,

Was dich härmt und kränkt;

Keinem wird des Lebens

Bittrer Zoll geschenkt.


Wenn der erste süße

Jugendleichtsinn schwand,

Bleibt dir an die Füße

Stets ein Weh gebannt.


Zu den höchsten Matten,

Unters stillste Dach

Wandelt, wie dein Schatten,

Dir die Sorge nach;


Mischt zu jedem Glanze

Sich als Nebel still,

Nagt an jedem Kranze,

Der dir blühen will;


Bis du, unter Schmerzen,

An durchkämpftem Tag

Dir errangst im Herzen,

Was sie bänd'gen mag:


Mut, der sturmentgegen

Neuen Pfad sich bahnt,

Demut, die den Segen

Auch im Trübsal ahnt.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 178.
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