|
[401] An den König von Preußen.
Zum erstenmal, nachdem in Lust und Leid
Ich manches Lied zum Spiel den Winden gab,
Betret' ich heut der Bühne wechselnd Reich;
Und nicht mit leichtem Sinne. Nein, ich weiß,
Daß Großes ich mit junger Kraft gewagt.
Denn nicht geziemt es mehr, den Müßiggang
Im götterlosen Haus durch flücht'gen Reiz
Und kurze Überraschung zu zerstreun;
Es sei die Bühne, was dereinst sie war,
Ein Heiligtum; es sei das Trauerspiel
Ein dunkler Spiegel, drin, zum Bild gefaßt,
Das ewige Gesetz des Weltengangs
Gestaltenreich dem Volk sich offenbart.
Drum wolle keiner, der in Zeit und Vorzeit
Des Gottes mächt'ges Schreiten nie vernahm
Und nicht die Sühnung kennt und nicht das Maß,
Hier Priester sein. Und wer zu opfern kommt,
Sei reines Sinns und nahe sich in Ehrfurcht
Der ernsten Muse, der gewaltigen,
Die hochherwandelnd Tat und Missetat
Der Sterblichen in erzner Schale wägt.
So tret' auch ich heran, und wie ich schreite,
Bewegt ein leiser Schauer mir die Brust,
Doch hebt mir eins den Mut: ich weiß, ich ringe
Nach Würdigem, und wer des Lebens Kraft
An Großes setzt, den führet gern ein Gott
Zuletzt ans Ziel, ob er auf seiner Bahn
Auch viel erdulden müsse.
Langsam ringt
Im dunkeln Schacht die Flut, bis hoffend sie
Hervorspringt und das heißersehnte Licht,
Den goldnen Tag mit klaren Augen grüßt;
Auch dann noch rinnt sie leiser durchs Gestein,[402]
In steter Krümmung ihre Pfade suchend;
Doch gnädig schließet sich der Himmel auf
Und schickt den frischen Wolkensohn, den Regen,
Und sendet ihr die fröhlichen Geschwister,
Die felsgebornen, vom Gebirg' herab.
Da schwillt sie kühn empor, gekräftigt bricht sie
Durch Klippentrümmer sich die eigne Bahn,
Und endlich, siegreich durch die Täler wandelnd,
Tränkt sie die Flur, und spiegelt sie die Sonne,
Ein goldner Strom des Segens.
Also reift
Auch Weisheit langsam, und ein andres bringt
Der Jugend rascher Sinn, ein anderes
Aus reichem Schatz des Manns geprüfter Geist.
Ich habe heute nur ein Jünglingswerk;
Doch leg' ich's dankbar als die einz'ge Gabe,
Die deinesgleichen ich zu bieten weiß,
In deine Hand, o Fürst, der freundlich du
Die schlimmste Musenstörerin, die Sorge,
Mit holdem Wink von meinem Tisch gescheucht.
So nimm es hin, und ob auch viel gebricht:
Vergib es lächelnd, daß der frische Quell
Vom künft'gen Strome leise rauschend träumt,
Zu kühn vielleicht – denn Hoffnung, Mut und Kraft
Genügen nimmer, wenn von goldner Wolke
Der schöne Gott nicht segnend niederschaut.
Buchempfehlung
Die letzte zu Lebzeiten des Autors, der 1835 starb, erschienene Lyriksammlung.
242 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro