Gute Stunde

[249] Wie ward es tief in mir so stille!

Der Tage Wandeln rührt mich kaum.

Der Lärm der Zeit, der Menschen Wille

Geht mir vorüber wie ein Traum.

Doch drinnen ist es warm und helle,

Es lauscht die Seele ungestört

In sich hinein, daß sie die Welle

Des eignen Wohllauts fluten hört.[249]


Als wie aus Flammen neu geboren,

So spielt das Herz mir frisch und rein:

Vergessen ist, was ich verloren,

Und, was ich liebte, dennoch mein.

Es hat der Jugend süß Gedenken

Sich wie ein Himmel aufgetan;

Und schön mit seiner Huld Geschenken

Erscheint der Gott und rührt mich an.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 249-250.
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