Im Gebirg'

[229] Nun rauscht im Morgenwinde sacht

So Busch als Waldrevier!

So rauscht meine Sehnsucht Tag und Nacht,

Rauscht immerdar nach dir.


Du merkst es nicht, du bist so weit,

Kein Laut herüber spricht;

O schlimme Zeit, einsame Zeit!

Und Flügel hab' ich nicht.[229]


Vom höchsten Berg mein Auge sieht

Umsonst nach West und Ost,

Ein Gruß zu dir, von dir ein Lied,

Das ist mein einz'ger Trost.


So sing' ich denn durch Wald und Dorn

Meine Weis' im Wanderzug:

»Deine Lieb', das ist ein süßer Born,

Des trink' ich nie genug.«

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 229-230.
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