Unter der Lorelei

[230] Wie kühl der Felsen dunkelt

Hernieder in den Rhein!

Kein Strahl der Sonne funkelt

Im grünen Wasserschein.

Es kommt im Windesweben

Ein Gruß der Märchenzeit -

Wie fern von hier das Leben!

Die Welt wie weit von hier, wie weit!


In dieser Schattenkühle

Der Einsamkeit im Schoß

Wird alles, was ich fühle,

So still, so klar, so groß.

Kein Wunsch mehr, kein Begehren,

Geschlichtet jeder Zwist -

Ich kann der Welt entbehren,

Wo du, o Liebe, bei mir bist.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 230.
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