Lied des Korsaren

[252] Gut der Wind, und fest das Steuer,

Leuchtend Silbergrün das Meer,

Über uns der Sterne Feuer -

Gebt die Mandoline her!

Syrakuser schenkt mir ein!

Heißer Sinn will heißen Wein.


Ging mein Schloß in jähem Brande

Lodernd auf um Mitternacht,

Schwirrt auf Rabenschwing' am Lande

Um mein Haupt des Reiches Acht:

Auf dem Meer im Sturmesflug

Weht der Freiheit Odemzug.


Hab' ich doch mein Schwert behalten

Und den Arm, der stark es faßt;

Des verfemten Banners Falten

Flattern schwarzgesengt vom Mast;

Weh dem Kühnen, der's bedroht!

Seine Antwort lautet: Tod.


Seit das Schiff ich frei bestiegen,

Haus' ich jedem Fürsten gleich;

Weit, so weit die Winde fliegen,

Liegt mein flutend Königreich.

Blanker Stahl ist mein Wardein,

Treib' ich meine Schatzung ein.[252]


Säckel, die von Gold sich brüsten,

Ferner Zonen seltne Fracht,

Klosterwein von sonn'gen Küsten

Und den Becher von Smaragd,

Was nur Sinn und Herz begehrt,

Kauft im Schlachtgewühl mein Schwert.


Und wie reizend ist die Dirne,

Wenn sie vor dem Räuber steht,

Und um ihre blonde Stirne

Glühend Haß und Neigung weht!

Scham und Lust - o süßer Krieg!

Doch dem Kühnen bleibt der Sieg.


Heil dir, Meer, du Feld des Mutes!

Heil dir, Freiheit, meine Braut!

Dir mit jedem Tropfen Blutes,

Dir allein bin ich getraut,

Treu auch dann, wenn mich umdroht

Einst im Kampf die letzte Not.


Dann kein Ach, kein feiger Jammer!

Hoch die Wimpel, hoch das Beil!

In der engen Pulverkammer

Schläft beisammen Rach' und Heil;

Stolz im Blitze fahr' ich dann

In den Tod als freier Mann.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 252-253.
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