Zweiter Auftritt.

[74] Ferdinand kömmt mit dem Adjutant in das Zimmer, der Adjutant hält Ferdinands Degen.


FERDINAND fällt zu des Hausvaters Füßen. O mein Vater!

HAUSVATER stößt ihn zurück. Nicht so genennt; ich bin keines feigen Kerls Vater.

FERDINAND springt schnell auf. Wer darf das sagen?

HAUSVATER. Ich, einem Burschen, der unbesonnen genug ist, Händel anzufangen und entehrt – –

DER ADJUTANT. Herr Graf, erst wie der Herr Hauptmann weg war, ließ ihn der Fremde fordern, auch der Hauptmann wollte sogar sich mit ihm schlagen, aber der Oberst verbot es ausdrücklich; man weiß, daß Nechrostfeld ein falscher Spieler ist und die Uniform usurpiert. Neben dem wissen Sie, was in dergleichen Fällen das für die Unterthanen sorgende Landesgesetz befiehlt.

HAUSVATER. Weiß es, auch –

FERDINAND. Meinen Degen her; Herr Adjutant, ich bitte um meinen Degen und lass' ihn dann nicht mehr aus dieser Hand, bis ich den Verleumder – – –

HAUSVATER. Ha, das sind Worte eines Wodmars, und Indem er ihm um den Hals fällt. hier auch wieder sein Vater.

DROMER. Gottlob, ich freue mich. – –

FERDINAND. Liebster Vater – – Ihr Sohn ist Ihrer so unwürdig nicht. Aber was ist aus dem Kerl geworden?

DER ADJUTANT. Man hat ihn vorladen lassen, und er soll das consilium abeundi bekommen.

HAUSVATER. Laß ihn laufen, mit Leuten dieser Art hat man nichts zu thun. Zu Dromer. Geben Sie mir meinen Brief wieder.

DROMER. Wie ich froh bin, daß die Sache so geht!

HAUSVATER. Doch, was hat der Kerl von dir zu fordern?

FERDINAND betroffen. Dreitausend Gulden.

HAUSVATER. Schadet nichts, schadet nichts, der Preis ist nicht zu teuer, für welchen, wie ich hoffe, du sollst vernünftiger geworden sein.[74]

FERDINAND. O, gewiß will ich – –

ADJUTANT. Er wird sich auch mit weniger abspeisen lassen.

HAUSVATER. Nein. Er soll bis auf den letzten Heller bezahlt werden; ich will nicht die Nachrede eines solchen Kerls haben. Du hast auch noch mehr Schulden; ich hätte gewünscht, du hättest dich deinem Freund anvertrauet: doch, wie es auch immer ist, mache mir ein Verzeichnis, ich will sie über nehmen.

DROMER. Sehn Sie, was Sie für einen Vater haben.

FERDINAND um den Hals seines Vaters. Liebster, bester Vater.

HAUSVATER ihn in seinen Armen haltend. Ich will ja gern für euch Kinder alles, alles thun, mein letzter Blutstropfen sei für euch: solange ich es nur imstand bin; aber – – – doch wozu soll ich dir Vorwürfe machen; dieser Vorfall und, wenn du mich liebst, der Gedanke des Kummers, den du mir verursachtest, sollen und werden dich hoffentlich künftig warnen.

FERDINAND. Sein Sie versichert, gewiß überzeugt – – –

ADJUTANT. Der Oberst hat vernommen, daß unser gnädigster Herr Ihrem Sohn eine Majorsstelle zugedacht hat, und ohnerachtet er ihn wegen der in nämlicher Nacht versäumten Runde in Arrest nehmen lassen; so will er ihn aus Rücksicht gegen Sie, Herr Graf, davon befreien, mithin. Er will ihm den Degen wieder geben.

HAUSVATER hält ihn zurück. Nicht so, Herr Adjutant, ich danke dem Herrn Oberst für seine Gesinnung; ich habe seine Schulden übernommen, aber die gegen den Dienst mag er selbst abtragen. Sein Fehler ist bekannt, also muß es auch seine Bestrafung sein. Mit der Majorsstelle hat es ohnedem einiges Bewenden in diesen Umständen: ich möchte der mir gegebenen Gnade meines Fürsten nicht gern mißbrauchen. Und Mißbrauch wäre es, wenn in dem Augenblick – –

ADJUTANT. Herr Graf, wenn so etwas ausschlösse. – – –

HAUSVATER. Wie es auch ist, meine Kinder sollen keine andere Stufen als ihr eigenes Verdienst kennen, auf denen sie sich erheben. Also geh nur wieder mit dem Herrn Adjutant; die Majorsstelle sei der Preis deines guten Betragens und deines Diensteifers.

FERDINAND. Vater! – Aber ich will sie schon bald verdienen.

HAUSVATER. Geh, ich werde dich desto mehr lieben.

ADJUTANT. Gehorsamer Diener.

HAUSVATER. Ich empfehle mich, danke für die Mühe. Ferdinand,[75] komm wieder her. Er umarmt ihn herzlich. Nun geh, freut mich daß du kein schlechter Kerl bist. Ferdinand und Adjutant ab.

DROMER. Ich wünsche Glück.

HAUSVATER. Wär' alles so überstanden! Traurig, daß die Vorsicht neben dem Guten so unmittelbar das Böse grenzen läßt. Bei Ferdinand Lebhaftigkeit und Unbesonnenheit: bei Karln Empfindsamkeit und Verirrung. Ich wollte, Karl wäre hier.

DROMER. Ich will ihn holen.

HAUSVATER. Baron, Sie sind zu gütig.

DROMER. Was wollen Sie mit ihm.

HAUSVATER. Ihn an seine Pflichten erinnern, mehr steht nicht in meiner Macht; aber, da kömmt er.

DROMER. Sehn Sie, wie betäubt.

HAUSVATER. So wünsch' ich mir ihn, aber lassen Sie uns allein.


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 2, Stuttgart [o.J.], S. 74-76.
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