DANTE UND DAS ZEITGEDICHT

[7] Als ich am torgang zitternd niedersank

Beim anblick der Holdseligsten · von gluten

Verzehrt die bittren nächte sann · der freund

Mitleidig nach mir sah · ich nur noch hauchte

Durch ihre huld und durch mein lied an sie:

War ich den menschen spott die nie erschüttert

Dass wir so planen minnen klagen – wir

Vergängliche als ob wir immer blieben.


Ich wuchs zum mann und mich ergriff die schmach

Von stadt und reich verheert durch falsche führer ...

Wo mir das heil erschien kam ich zu hilfe

Mit geist und gut und focht mit den verderbern.

Zum lohn ward ich beraubt verfehmt und irre

Ein bettler jahrelang an fremde türen

Aufs machtgebot von tollen – sie gar bald

Nur namenloser staub indess ich lebe.[8]


Als dann mein trüber vielverschlagner lauf ·

Mein schmerz ob unsrer selbstgenährten qualen ·

Mein zorn auf lasse niedre und verruchte

In form von erz gerann: da horchten viele

Sobald ihr grauen schwand dem wilden schall

Und ob auch keiner glut und klaue fühlte

Durchs eigne herz: es schwoll von Etsch bis Tiber

Der ruhm zum sitz des fried- und heimatlosen.


Doch als ich drauf der welt entfloh · die auen

Der Seligen sah · den chor der engel hörte

Und solches gab: da zieh man meine harfe

Geschwächten knab- und greisentons .. o toren!

Ich nahm aus meinem herd ein scheit und blies –

So ward die hölle · doch des vollen feuers

Bedurft ich zur bestrahlung höchster liebe

Und zur verkündigung von sonn und stern.

Quelle:
Stefan George: Der siebente Ring. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 6 / 7, Berlin 1931, S. 7-9.
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