IRRENDE SCHAR

[57] Sie ziehen hin gefolgt vom schelten ·

Vom bösen blick der grossen zahl.

Man sagt dass sie aus feenwelten

Nach der geburt ein adler stahl.


Ihr leben rinnt auf steten zügen

Als suchten sie von land zu land

Die erde mit den goldnen pflügen

Wo ihres glückes wiege stand.


Sie bluten willig im gefechte

An meeresküsten kahl und grau

Und geben freudig ihre rechte

Für eine blasse stolze frau.[58]


Sie retten in den grossen nöten

Wenn engel mit dem giftespfeil

Zur strafe unerbittlich töten –

Sie dulden zu der andren heil.


Wenn drob des lobes wolken qualmen ·

Das volk für sie begeistert tost:

Hosannaruf und streu der palmen

Sind eines tags und falscher trost.


Da leitet sie ein später abend

Zur burg worin das Höchste Licht

Mit mildem gruss die müden labend

Auf immer ihnen rast verspricht.


In sänge fliesst ihr erdenwallen

Bei festlich rauschendem getön ·

Sie werden selig unter hallen

Die unvergänglich neu und schön.

Quelle:
Stefan George: Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 3, Berlin 1930, S. 57-59.
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