DIE SCHWALBEN

[94] Wie eine türkin bläulich grün gekleidet ·

So ging sie langsam in der felder fläche.

Auf ihre hüften ihre haare flossen

Wie morgenstrahlen auf zwei bergesbäche.


Zur rechten grüsste sie der weisse roggen ·

Zur linken zitterte der lerchen chor

Und wie die wache bei der fürstin nahen

So stand des feldes pappel grad empor.


Der tag versank schon und die sonne pflanzte

Westwärts das banner der Johannis-nacht

Dess bunte spitzen sich im winde hoben –

Das Ave von dem dorfe schallte sacht.


Auf einmal eine – zwei – drei schwalben – viere

Mehr und mehr schwalben hinter ihr erscheinen ·

Sie ziehen überm haupt ihr blitzeskreise

Und hundert kreise · kronen gleich · in einen.[95]


Der jungfrau bangt vor ihren schwarzen feinden ·

Sie jagt sie weg · sie schwenkt ihr tuch im winde ·

Doch unbotmässig folgen noch die schwalben

Mit lautem schrei dem unbeschüzten kinde.


Im freien so bestürmt von geistervögeln

Will sie ins schloss zurück in banger eile ·

Sie läuft mit lautem pochen bleich erschrocken

Umkrönt von diesen schwalben schnell wie pfeile.


Zur linken grüsste sie der weisse roggen ·

Zur rechten sah die lerche staunend vor

Und wie die wache bei der fürstin nahen

So stand des feldes pappel grad empor.

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 94-96.
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