Zweite Szene


[38] Bothwell und Huntley von derselben Seite kommend.


HUNTLEY.

Ich halte alles für verloren, Bothwell.

Das einzge Mittel was Euch übrig bleibt

Ist schnelle Flucht. Noch haben wir die Zeit,

Ein Schiff liegt fertig in St. Andrews.

BOTHWELL.

Hältst du mich für so feige und so töricht,

Dass ich den Plan, der schon seit Jahren mir

Im Kopfe brennt, aufgeben soll, weil etwas

Gefährlicher wie sonst die Dinge stehen?

Dass ich das Feld hier räumen soll zur Freude

Für unsre Widersacher, zur Verachtung

Für unsre Freunde, die für mich und dieses

Gewagte Werk ihr Leben eingesetzt?

Wär das ein Lohn für ihre Treue, Huntley?

HUNTLEY.

Was aber hilft der Freund' und Feinde Achtung,

Wenn man durch des Gerichtes Ausspruch als des

Verrates und des Königsmordes schuldig

Den Hals dem Henker überliefern muss?

Jetzt sorge jeder für sich selbst. Ihr habt

In Schottland Eure Rolle ausgespielt.

Kommt, lasst von einem Freunde Euch beraten

Und flieht das Unheil solang Ihr noch könnt.

BOTHWELL.

Du hältst es für so leicht den Grafen Bothwell

Zum Blutgerüst zu bringen wie den Strauchdieb

Zum Galgen. So schnell brauch ich nicht zu zittern.

Und muss denn unbedingt ich schuldig sein?

Wer wagt es hier mich anzuklagen und

Wer kann mir die Beweise bringen, dass

Ich jene Tat vollführt? Wer kann's?[39]

HUNTLEY.

Vertraut

Da nicht, wo nichts mehr zu vertrauen ist.

Ein jeder klagt Euch an im Königreich.

Habt Ihr vergessen jene grause Nacht?

Sechs Tage sind ja kaum seitdem verflossen,

Wo wilde Haufen des erregten Volks

Mit wütendem Geschrei die Stadt durchzogen

Und vor der Königin Palaste Euch

Als Mörder Darnleys laut bezichtigten,

Wie man an allen Strassenecken Euch

In riesigen aufreizenden Plakaten

Als den Vollführer von verfluchter Tat

Erklärt.

BOTHWELL.

Was kümmert mich des Volkes Haufen?

HUNTLEY.

Der grösste Teil des Adels, an der Spitze

Der alte Graf von Lennox fordert wütend

Des Mörders Einziehung und strenge Sühne.

Er ladet Euch vor des Gerichtes Schranken.

BOTHWELL.

Und bringe die Beweise.

HUNTLEY.

Und zuletzt

Hat man der Königin auch selber einen

Geringen Dienst getan. Furchtbare Rache

Schwur sie dem Mörder Darnleys, und man hat

Sie sicherlich schon überzeugt wo sie

Denselben suchen muss. Und bei dem allem

Wagt Ihr es in vermessnem Übermut

Das Schicksal auf die Probe noch zu stellen?

Ihr wollt die Stirne allen denen bieten

Die Euch des Mordes zeihen? Ihr erblickt

Das Schwert schon über Euerm Haupte schweben

Und wollt noch hoffen? Seid Ihr rasend, Bothwell?

BOTHWELL.

Ich bin nicht rasend. Stünden meine Dinge[40]

Noch zehnmal schlimmer, was der eine Wurf

Gewinns verspräche, schiene hoch genug mir,

Dagegen Leib und Leben einzusetzen.

Doch jetzt steh ich nicht vor dem Äussersten.

Ich fürchte nicht des Pöbels schmähend Schreien,

Ich fürchte nicht Graf Lennox' tolles Rasen,

Ich fürchte auch nicht des Gerichtes Schranken.

Ich bin schon über Grössres Herr geworden.

Das einzge was ich fürchten könnte ist,

Dass mich Maria selbst für schuldig hält.

Jetzt gleich geh ich zu ihr. Heut ist der erste

Tag an dem wieder sie Audienzen annimmt.

Ich werde ihr beteuern, sie bereden,

Dass ich vom Morde Darnleys nichts gewusst,

Ich mal ihr ihrer, meiner, Gegner Tücke,

Die nur bestrebt sei'n mich mit ihr zu stürzen,

Ich fordre für mich selbst ein streng Gericht.

Sie müsste denn kein Weib sein, wenn sie nicht

An meine Worte glaubt. Sei mutig, Huntley,

Kehr heim zu meinem Schlosse. Tröste meine

Gemahlin mir und ordne wie gewöhnlich

Die Angelegenheiten meiner Güter.

Siehst du mich nicht als Herrn in Schottland wieder,

Bin ich ein Stümper, und dann ist's noch Zeit

Zu fliehn. Doch fühlst du deinen Kopf nicht sicher,

So zwinge ich dich nicht.

HUNTLEY.

Ich hielt Euch stets

Für mutig und für kühn, nicht für vermessen,

Und dem Vermessnen hoff ich wenig Glück..

Doch harr ich aus. Ich habe nicht umsonst

Den Eid der Treue, Bothwell, Euch geschworen.

Sinkt Ihr dahin, so bin ich mitverloren.


Huntley ab.


BOTHWELL.

Das Beste hoff, leb wohl, auf Wiedersehn.


Quelle:
George, Stefan: Phraortes, Graf Bothwell. Düsseldorf, München 1975, S. 38-41.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon