Sechste Szene


[44] Es treten ein Graf Lennox, Moray, Ashton, Seton, Montgomery und der Sekretär der Königin.


MARIA.

Willkommen, edle Lords, Sie haben mich

Um eine Audienz gebeten. Nun,

Ich bin bereit zu hören. Lieber Lennox ...


Sich setzend.


LENNOX.

Erhabne Königin, ich bitte um

Gerechtigkeit. Schon eine Woche ist

Verflossen, seit die freche Mörderhand

Euch Euren Gatten, mir den Sohn geraubt,

Dass sein zerstückter Leichnam draussen auf

Den Feldern vor der Stadt gefunden ward,

Und noch ist nichts geschehn für die Bestrafung

Des Mörders. Frech tritt er die Schwellen des

Palastes, spottet meines herben Schmerzes

Und der Gerechtigkeit und der Vergeltung.

Das schlägt stets neue Wunden meinem Herzen,

Das halb verblutet schon bei jenem Anblick.

MARIA.

Mylord, glaubt, dass der Gattin Schmerzen über

Den Toten nicht geringer sind als die des Vaters,

Dass ich nicht minder den Gemahl will rächen

Wie Ihr den Sohn. Ein bittrer Vorwurf klingt

Aus Eurer Rede und ein ungerechter.

Sogleich nach meines Gatten Tode habe

Ich alle Mittel angewendet um der

Verruchten Bluttat auf die Spur zu kommen,

Doch konnt ich nichts Bestimmtes noch entdecken.

Habt Ihr vielleicht die unumstösslichen

Beweise und die untrüglichsten Zeugen,

Wohlan, Mylord, zeigt mir sie und erklärt:

Dies ist der Täter, und ich werde keine[45]

Minute zögeren ihn festzunehmen.

LENNOX.

Ich kann dies allerdings nicht, Königin,

Doch hoffe ich sie Euch in kurzer Zeit

In Eure Hand zu legen. Aber wer

Gibt mir dann die Versichrung, dass der noch

Zu finden ist und dass er nicht sein Heil

Längst in der Flucht gesucht?

MARIA.

Ich selbst.

Ich kenne Bothwell besser noch als Ihr.

Graf Bothwell fliehet nicht ... Es hat Euch die

Erfahrung dies gelehrt. Doch denket Ihr,

Er kann leicht seinen Entschluss änderen,

Wenn er mit jedem Tage mehr erkennt,

Wie schlimm und drohend seine Lage ist.

Gut, Ihr mögt recht haben, Graf Lennox. Ich

Will dem zuvorzukommen suchen, will

Verbieten ihm, die Mauern zu verlassen,

Und ihm Spione stellen, die sogleich

Beim ersten Fluchtversuche, den er wagt,

Mit Ketten ihn beladen und, wenn er

Zur Wehr sich setzet, ihn durchbohren sollen.

Lesington, fertiget das Schriftstück aus

Und übergebt die Abschrift Bothwell selbst.

So werd ich Euch befriedigt haben, Graf.


Lord Ashton, was habt Ihr mir zu berichten?

ASHTON.

Ruhmreiche Königin! Verzeihet wenn

Zum Heile Schottlands etwas frei ich rede.

Nicht klein ist Bothwells Anhang, aber den

Bei weitem grössten Teil der Ritterschaft

Hat er zu Feinden sich gemacht durch sein

Hochmütig, herrschsüchtig und frech Benehmen.

Sehr viele hat sogar er schon geschädigt.

Auch in dem Volke hasst man seinen Namen,[46]

Wie wir erst kürzlich alle sehen konnten.

Wenn er nun auch am furchtbarsten Verbrechen

Nicht schuldig ist, macht allgemeiner Hass

Ihn unwert, an der Spitze eines Volkes

Zu stehn, mit wichtgen Ämtern überladen.

Um unsrem Lande seinen vollen Frieden

Und seine Ruhe wieder zu verleihen,

Ist es vor allem nötig, Königin,

Dass jener Stein, an dem fast alle Anstoss

Genommen und stets nehmen müssen, aus

Dem Weg geräumt werde, um jeden Preis.

MARIA.

Lord Ashton, für die Sorge, die Ihr tragt

Um Euer Vaterland, sag ich Euch in

Des Vaterlandes Namen Dank. Es wird

In aller Bälde die Gerichtssitzung

Stattfinden über den Verbrecher, der

In jeder Hinsicht ja gefährlich scheint.

Graf Lennox wird des Mords Beweise bringen,

Und auch Ihr, Ashton, Eure Anklagen.

Ein unparteilich strenges Urteil wird

Gefällt. Euer Gerechtigkeitsgefühl,

Mylord, soll keineswegs beleidigt werden.

SETON.

Und was befehlt Ihr, dass zur Dämpfung der

Entstandenen Empörung wir beginnen?

Solln wir mit der Gewalt der Waffen sie

MARIA.

Nein, Seton, wartet, nur nicht gleich die Waffen.

Lasst erst uns sehen, was die freundliche

Ermahnung über sie vermag. Vielleicht

Dass sie der Klugheit Stimme folgen werden.

Doch sorgt, dass baldigst unsre Boten abgehn.


Alle ausser Moray ab.


Quelle:
George, Stefan: Phraortes, Graf Bothwell. Düsseldorf, München 1975, S. 44-47.
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