Siebente Szene


[47] Maria und ihr Stiefbruder Moray.


MARIA.

Und was ist dein besondrer Wunsch, mein Bruder?

MORAY.

Maria, ich hab dir nur zu verkünden,

Dass ich den Plan gefasst, Schottland in kurzer

Zeit zu verlassen, da ich eingesehn,

Welch jämmerliche Rolle ich hier spiele,

Dass ich für nichts geachtet bin. Ein Fremder

Wird mich vielleicht für tauglicher befinden

Als meine Schwester mich befindet.

MARIA.

Bruder,

Was treibt dich, solchen Vorwurf mir zu machen?

MORAY.

Nachdem mit jenem lästgen Schwachkopf du

Den Ehebund geschlossen, wurde ich

Zurückgestossen in den tiefsten Winkel

Trotz meiner Abstammung und meines Namens.

Und als du deines Gatten unverschämten

Und rohen Sinn erkannt, da hoffte ich

Für mich auf bessre Zeiten, aber du

Warfst dich in eines andren Arme, der

Nicht minder meinen Einfluss weggeschoben,

Und jetzt, obgleich er deinen Mann ermordet,

Seh ich wie du ihm noch die Stange hältst.

MARIA.

O Bruder

MORAY.

Zeige dich nicht so bestürzt.

Ich habe lang genug geschwiegen und

Den tiefen Groll in meiner Brust verschlossen,

Und hättest du daraus nicht folgern sollen,

Dass ich gebilligt, wenn du mich beleidigt.

Du hast jetzt die Gewalt, und ich muss dulden[48]

Solang ich hier bin, und da ich nicht mehr

Es dulden will, so muss ich mich entfernen.

MARIA.

Höre,

Wir wollen mit einander Frieden schliessen.

Sag mir, was du verlangst. Soweit ich es

Vermag, will ich dir gern gefällig sein,

Nur jetzt verlass mich nicht.

MORAY.

Ich soll dir die

Bedingungen zu unsrem Frieden nennen?

Du kennst sie selbst so gut wie ich sie kenne.

Vor allem schaffe jenen Eindringling

Hinweg und setze mich an seine Stelle,

Mit keiner Einschränkung und Schmälerung,

Wie mir es zukommt. Und wie längst erklärt,

Bewirkst du das Gesetz kraft dessen ich

Und meine Nachkommen ...

MARIA.

Halt ein! nicht weiter.

Zu solcher Ungerechtigkeit kann ich

Mich nie verstehn, wenn auch zu allem andern.

Was haben uns die Hamiltons getan,

Welch schrecklichen Verbrechens sind sie schuldig,

Dass du sie ausgeschlossen haben willst

Von Schottlands Thron? Nie, Bruder, wären wir

Dorthin gelangt, wenn solche ungerechten

Gesetze unsre Vorgänger geschaffen

Und angewendet hätten. Nur damit

Ich deine Herrscherlüste stille, soll ich

Das gute Recht der Hamiltons verletzen?

MORAY.

Nicht weil es gegen die Gerechtigkeit

Verstösst, verweigerst du mir meinen Wunsch.

Es ist der Thronen Vorrecht stets gewesen,

Dass alles sie zum Rechte machen können.

Nein, etwas andres ist es das dich leitet.

Wenn du die Ansprüche mir auf den Thron

Verschafft, so fürchtest meinen Einfluss du[49]

Und meine grössre Macht, mein grössres Ansehn.

Du fürchtest grössre Rücksichten auf mich

Nehmen zu müssen wie du früher tatest.

Du fürchtest dass ich deiner Laune, die

Dem Abenteuerlichen immer nachjagt,

Ein wenig Halt gebieten könnte.

Ja wenn du jetzt auch diesen Schurken

Hinwegräumst, wenn dir der Gedanke

Gekommen, dass es besser sei, dem Bruder

Sich zu vertrauen als dem Fremden, der

Nur seinen Vorteil zieht aus deiner Schwachheit

Und schmeichelnd desto ärger dich betrügt,

Wenn du vielleicht dies heute eingesehn,

Wer sagt mir, dass du morgen nicht, getrieben

Von einer neuen Grille, einem andren

Der durch sein zierliches Gesicht, mit seinem

Süssflötenden Geschwätze dich berückt,

Blindlings dich hingibst..

MARIA.

Wenn auch noch so sehr

Du mich mit Vorwürfen beleidigst und dich

Bemühst für meine reinen Absichten

Für meine so gerechte Handlungsweise

Die niedrigsten Beweggründe zu finden,

Wenn du auch in dem Herzen überzeugt bist,

Dass jene Handlungsweise niedrig sei,

Ich kann aus diesem Grunde sie nicht ändern.

Nie werde ich mich dazu je verstehen,

Was du verlangst, ins Werk zu setzen.

MORAY.

Ist dies

Dein letztes Wort, Maria?

MARIA.

Es muss es

Sein.

MORAY.

Gut, es muss es sein. So muss auch ich den Plan

Den ich gefasst, verwirklichen. Ich gehe,

Vertrieben gleichsam durch dein eigensinnig[50]

Und törichtes Benehmen. Ich muss weichen,

Und nicht so schnell belästig ich dich wieder.

Doch merke dir, Maria, wenn wir uns

Je wiedersehn, ist dies für dich kein freudges

Ereignis: dann sollst du mit Bitterkeit

An diese Stunde denken.

MARIA.

Bruder, halt ....


Moray ab.


Quelle:
George, Stefan: Phraortes, Graf Bothwell. Düsseldorf, München 1975, S. 47-51.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der Weg ins Freie. Roman

Der Weg ins Freie. Roman

Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.

286 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon